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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Gesichter, die er nicht kannte.
    »Diese zwei«, sagte er und tippte auf sie. »Können Sie sich an etwas über die erinnern? An irgendetwas?«
    Sandra richtete den Blick auf die erste Person, einen Schwarzen, etwa Mitte dreißig mit ordentlich gestutztem Bart und weitem, knopflosem Hemd, der ein Weinglas schwenkte.
    »Dieser Kerl war verrückt«, murmelte sie. »Ich kann mich noch erinnern, dass mir das damals durch den Kopf ging. Sehr wortgewandt, aber … er hat nie Blickkontakt hergestellt. Die meiste Zeit war er zugedröhnt. Hat mit den Wänden geredet.«
    Shaper schaute wieder auf das Bild, verwirrt von dem plötzlichen Verdacht, den geheimnisvollen Mann doch zu kennen, aber sosehr er sich bemühte, es gelang ihm nicht, das Gesicht zuzuordnen.
    Sandras Miene verfinsterte sich konzentriert. »Sie haben ihn … Vish genannt. Vish und noch irgendwas. Klang irgendwie indisch. Das war sein Codename.«
    Vince, der immer noch schmollte, stieß hervor: »Vishnu.«
    »Hä?«
    »Ein Hindu-Gott. Einer der großen Macker. Es gibt Brahma, den Schöpfer, Vishnu, den Erhalter, und Shiva, den Zerstörer. Zusammen die Trimurti.« Er bemerkte die verblüfften Mienen der anderen. »Was ist? Ich lese! Ich bin informiert!«
    »Du bist schräg.«
    Sandra schüttelte den Kopf. »Aber das war nicht die Bezeichnung, tut mir leid.«
    »Hm«, brummte Shaper und zeigte auf das letzte Mitglied der Gruppe. »Und die da?«
    Sandra begegnete seinem Blick, als hielte sie es für eine Fangfrage. »Sie kennen sie nicht?«
    Shaper schaute noch einmal genauer hin. Es war das Antlitz einer Frau, die dem Hippieklischee entsprach, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte: langes rotes Haar mit einem grünen Band und ein weitmaschiges Kleid von blutroter Farbe. Ihr geradezu übernatürlich offener Gesichtsausdruck wirkte sonderbar vertraut. Shaper brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass ihm die Miene nur durch jemanden vertraut vorkam, der sie nachzuahmen versuchte und den er sehr wohl kannte.
    Jemand, der diesen Gesichtsausdruck heuchelt.
    Sandra sprach es den Bruchteil einer Sekunde vor ihm aus. »Das ist Marys Mutter.«
    Shaper setzte noch eins drauf und rief sich die unheimliche Begegnung dieses Nachmittags ins Gedächtnis.
    Und Karls Mutter.
    »Er und sein kleiner Klub« , hatte der zappelige, gruselige Mann gesagt. »Beschissene fanatische Märtyrer, alle miteinander. ›Wir oder sie‹   – so denken die! Verschanzen sich dort im Wald, schmeißen mit Knochen rum, leiern ihre Sprechgesänge   … Ich hasse sie, verdammt noch mal, hören Sie?«
    Langsam senkte Shaper das Foto, als sich das Zittern auf seine andere Hand ausbreitete, und nickte Vince zu.
    »Ich denke, wir sollten diese Schubladen noch mal genauer unter die Lupe nehmen, Kumpel.«

Kapitel 19
    »Nicht die Bohne«, sagte Vince eine Stunde später.
    Die Schubladen enthielten genau gar nichts, das nützlich sein konnte. Auf den Boden des Wintergartens entleert hatten sie ein staubiges Gewühl von bunten Bändern, längst zerbröckeltem Weihrauch, einigen schlecht geschnitzten ethnischen Musikinstrumenten und einen Packen reißerischer Flugblätter. Letztere wiesen Titel auf wie Blavatsky wusste Bescheid! , ergänzt um den Holzschnitt einer molligen Frau und einer Kristallkugel; Okkulte Technologie: Was wir vergessen haben! , versehen mit einem dramatischen Magier mit einer handförmigen Laterne; und Begrüße den siebten Strahl! , wobei die jämmerlich gemalte Gestalt auf dem Blatt eine schaurige Ähnlichkeit mit Glass aufwies.
    Für Shaper deutete all das auf eine ziemlich freudlose Kultur hin – allzu ernst, allzu fanatisch. Außerdem war es ihm bisher nicht gelungen, das wenig hilfreiche Bild eines Raums voll psychedelischer Hobbyokkultisten abzuschütteln, die sich nervös auszogen. Er musste sich immer wieder vor Augen halten, dass dieses Kaleidoskop von Chakren und Sprechgesängen für Glass und seine Kumpane – genau wie für die nach Mysterien lechzenden Kunden in Marys Klinik – eine ernste Angelegenheit, ja geradezu ein Glaube gewesen war und sich somit der Gerichtsbarkeit seines herablassenden, beißenden Spotts entzog. Diese Menschen glaubten an diesen Quatsch – oder wollten es zumindest so sehr, dass es auf dasselbe hinauslief. Angesichts der Tatsache, dass nunmehr jemand damit begonnen hatte, sie umzubringen, schienen Shapers persönliche Ansichten dazu nicht im Mindesten relevant zu sein. Daher war ihm langsam, aber sicher klar geworden, dass er, wenn er

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