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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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viel klarer mir die Dinge erschienen wären.
    Zu spät, um dorthin zurückzukehren, du Schwachkopf.
    »Was, wenn er nach dem Fall fragt?«, brummte Vince und riss Shaper ein zweites Mal aus seinen Gedanken. »Dein alter Klient. Was soll ich sagen?«
    »Sag ihm, dass ich rasche und beachtliche Fortschritte mache.«
    »Und stimmt das?«
    »Ja.«
    »Lügner.«
    Shaper bog in Glass’ Straße, rollte an den Randstein und weigerte sich, für das Privileg, zu parken etwas zu berappen. Das Gebäude wirkte wie ein verwaister Tempel.
    »Behalt ihn einfach gut im Auge, ja?«, wies Shaper seinen Freund an. »Alle Todesfälle sind nachts eingetreten, also penn bloß nicht ein. Und jag ihm auch keine Angst ein.«
    Vince schaute verletzt drein. »Ich?«
    »Ja, du. Er ist alt. Und ein bisschen … exzentrisch. Also mach nichts, was ihm Angst machen könnte. Keine tristen Geschichten. Und kein verdammtes Flirten! Ach ja, er wird dir aus Sicherheitsgründen die Teigwarenfrage stellen. Außer er hat es vergessen.«
    »Dachsfleisch. Weißt du, das ist wirklich passiert. Komische Geschichte.«
    »Ich hab sie schon gehört.«
    »Aber …«
    »Schon tausend Mal, Vince. Geh und verdien dir die Kohle.«
    Der große Ochse grinste und stieg aus. Shaper rief ihn zurück, als ihm plötzlich ein Schauer über den Rücken kroch.
    »Noch was, Kumpel. Jemand könnte unter Umständen später, so gegen Sonnenaufgang, einen Brief vorbeibringen.«
    »Man nennt diese Leute Briefträger, Dan. Davon gibt es sogar ziemlich …«
    »Jemand anderer, Klugscheißer.«
    »Wer?«
    »Genau das würde ich gern wissen. Du kannst bei einer etwaigen Befragung gern auf physische Unannehmlichkeiten zurückgreifen.«
    »Okey-dokey.« Vince salutierte ironisch, blies Shaper einen Kuss zu und erklomm die Stufen.
    Sie wartete vor seinem Hauseingang.
    Die Arme um die Knie geschlungen, die Kleider triefnass, das Haar zerzaust. Ihr Gesicht war bedeckt von dick aufgetragenem schwarzem Make-up, das ihr verästelt wie die Äderungen eines Blattes die Wangen hinuntergelaufen war. Die gebatikten Röcke und weiten Pullis waren verschwunden. Stattdessen steckte ihr zierlicher Körper in dunklen, figurbetonten Jeans und einem rot-schwarzen Oberteil, das nur aus Schnallen und Riemen bestand.
    Zitternd hockte sie im Licht der Straßenlaterne und tropfte vor sich hin.
    Ein in Öl getränkter Schmetterling.
    »Mary?«, fragte er, nur um sicherzugehen.
    Shaper erkannte auf Anhieb, dass sie entweder betrunken oder high war. Unsicher und mit trübem Blick rappelte sie sich auf. Als sie ihn erkannte, trat jähe Erleichterung in ihre Züge, dann brach sie – wackelig in den unvertrauten Schuhen – in seinen Armen zusammen.
    »Ich wusste nicht, wo ich sonst hinsollte«, lallte sie gedehnt und schmierte ein Rorschachmuster auf sein Hemd. »S-sie haben im Telefonbuch gestanden.«
    »Aha«, murmelte er höflich. Ihn beschlich das abstrakte Gefühl, das Universum erwarte von ihm, sie festzuhalten, ihr beruhigend zuzuflüstern und an ihrem Haar zu schnuppern. Tatsächlich konnte er sie auch so hervorragend riechen – Wodka und feuchte Kippen –, und angesichts seiner Überraschung und Verunsicherung wegen ihres Erscheinungsbilds verfiel er in seine alte Gewohnheit, ein wenig Platz zu brauchen. Behutsam stellte er sie aufrecht hin, vergewisserte sich, dass sie einigermaßen sicher auf den Beinen stand, und wich einen Schritt zurück.
    »Na schön«, meinte er. »Schaffen wir Sie hinein.«
    Eine Dusche trug wenig dazu bei, sie nüchtern zu bekommen, beendete aber wenigstens ihr Zittern. Shaper vertrieb sich währenddessen die Zeit damit, sich eine sorgsam berechnete Dosis zu verabreichen und ein paar Zigaretten zu rauchen. Als sie aus dem Badezimmer zurückkam, brachte er ihr Kaffee. Eingehüllt in ein formloses Gewirr von Handtüchern ließ sie sich auf den Futon plumpsen, und er stellte verdutzt fest, dass es ihr irgendwie gelang, nackt zu wirken, obwohl sie jeden Ansatz von Körperformen verhüllt hatte.
    Sie ist hackedicht und dementsprechend leicht rumzukriegen, du Abschaum. Denk nicht mal dran.
    Wie sich herausstellte, brauchte er das gar nicht.
    »Komm her«, hauchte sie und stürzte auf sein Gesicht zu. »Küss mich.«
    Er hielt sie zurück, brummte Moment-Moment -Laute und schrieb sich verlegen ein paar Pluspunkte auf seiner Anstandsskala gut. Sie bekam davon nichts mit, brach in leises Schulmädchengeheul aus und wischte abwesend einige verirrte Rinnsale aus ihrer Nase weg. So

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