Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
unmöglich es schien, es gelang ihr, sogar das sinnlich wirken zu lassen.
»Schon gut«, krächzte Shaper, der sich mit der Situation völlig überfordert fühlte. »Ist wieder alles gut. Was ist denn überhaupt los, hm?«
Sie schniefte ihr Elend hoch und holte tief Luft, eine übertriebene Geste, um die Fassung wiederzuerlangen, bei der er an einen betrunkenen, von der Polizei angehaltenen Fahrer denken musste.
»Ich hatte Angst«, sagte sie. »Ich … ich bin angerufen worden.«
Hhhham , erinnerte sich Shaper schaudernd.
»E-es war Karl. Karl hat mich angerufen. Er war so seltsam …« Ein weiterer kurzer Tränenausbruch, der mit einem abgehackt stockenden Einatmen endete: H-h-h-h-h-hhh . »Ich hatte seit Jahren nichts mehr von ihm gehört. Und dann, aus heiterem Himmel … Andauernd hat er lange Pausen eingelegt. Merkwürdige Geräusche gemacht. Er hat wütend geklungen, Mr. Shaper.«
»Dan bitte … Herrgott noch mal.«
»Er hat mir Angst eingejagt. Er war unheimlich! «
Sagt die Hellseherin , verkniff sich Shaper tunlichst, auszusprechen.
»Hören Sie, es … es tut mir leid«, murmelte er. »Ich glaube, das könnte meine Schuld gewesen sein. Ich habe ihn heute besucht.«
Betrunken warf ihm Mary einen finsteren Blick zu. »Warum?«
»Ich … wollte ihn einfach überprüfen. Dachte, er könnte vielleicht irgendwie in die Sache mit Glass verwickelt sein.«
»Nein. Nein, nein, nein.« Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen hinkten jedem Ruck zur Seite hinterher. »Er ist nicht böse. Nur … durcheinander. Nur … Er ist kein Verbrecher, Mr. Shaper.«
»Einfach Dan, ja? Was hat er sonst noch gesagt?«
»Er war nicht glücklich, das ist alles. Darüber, was ich mache. Meine Arbeit. ›Du vergeudest dein Leben‹, hat er gemeint. Als ob ihn das einen Scheiß anginge!« Sie fing wieder zu weinen an. Das kurze Aufflackern von Wut erlosch mit dem Herabsacken ihrer Schultern.
»Hätte er doch nur …«, flüsterte sie. »Hätte er doch nur … früher, verstehen Sie? Hätte er mir nur früher gesagt, was er davon hält. Mir alles gesagt. D-dann … dann …«
Shaper dachte den Satz für sie zu Ende.
Dann hätten Sie Ihr Leben vielleicht nicht mit Kristallen und ähnlichem Müll verschwendet.
Ihm drängte sich zunehmend der Eindruck auf, dass Mary Devon dafür lebte und atmete, was andere von ihr hielten.
Außerdem zeichnete sich beängstigend schnell ab, dass, was immer er von ihr hielt, ständig stärker wurde.
Er hing noch inmitten dieser verschwitzten kleinen Offenbarung, als sie erneut versuchte, ihn zu küssen. Diesmal erreichte ihn der Vorstoß, und einen Moment lang ließ er die atemlose Vereinigung entspannt zu. Seine Zunge kroch vorwärts, seine Hände umfassten ihre Arme …
Sie ist stockbesoffen, und du bist ein Scheißkerl. Hör auf .
Er löste sich von ihr und schob sie behutsam zurück, fürchtete sich entsetzlich davor, sie zu beleidigen. Sie schlürfte weiteren Kaffee und lümmelte sich auf die Fersen zurück, anscheinend keineswegs verstimmt – weitere Ehrenpunkte –, dann blinzelte sie ungläubig.
»Da ist ’ne Echse«, stellte sie fest.
»Ja.«
»Gleich da drüben.«
»Das ist Ziggy.«
»Er hat grade gekackt.«
»Das bedeutet, er mag Sie.«
»Karl hat mir von Ma erzählt.«
Kurzes, sinnliches Schweigen folgte auf den jähen Themenwechsel. Shapers Lippen formten ein stummes Aha .
»Sie hat ihn weggeschickt«, sagte Mary schließlich mit leiser Stimme. »Als … als würde sie sich für ihn schämen . Ihren eigenen Sohn! Die ganze Zeit! Und mir hat sie erzählt, er wäre im Gefängnis. Lügnerin! «
Die Tränen waren verschwunden, verdrängt von zunehmender Verbitterung, und bevor Shaper etwas erwidern konnte, hustete sie ein heißes, beißendes Lachen hervor. »Und das ist noch nicht mal das Schlimmste. Denn … denn selbst als er weg war … hat es sie immer noch aufgefressen. Ich dachte, ich hätte sie endlich für mich allein, aber nein, oh nein. Nein! Und dann springt sie in ihr Auto und … und …«
»Ja«, murmelte Shaper. Er fragte sich, ob er die Hand ausstrecken und sie berühren sollte, um sie wie ein normaler Mensch zu trösten, aber ihn erfüllte vor Unerfahrenheit solche Panik, dass er die Gelegenheit verpasste.
Sie wandte den Blick ab und flüsterte: »Mein ganzes Leben. Mein ganzes Leben lang dachte ich, sie wäre … verstehen Sie?«
Vollkommen .
»Aber sie hat immer nur ihn gesehen. Es hat sich immer alles um ihn
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