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Der blaue Express

Der blaue Express

Titel: Der blaue Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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diesem Zweck sicher ihren Pelzmantel angezogen, eh?»
    «Ja, Sir», bestätigte Mason.
    «Ihr Herr tut also das Gleiche. Der Zug ist geheizt, aber draußen auf dem Bahnsteig ist es kalt. Er zieht Mantel und Hut an und spaziert den Zug entlang, und als er zu den beleuchteten Fenstern hochschaut, sieht er plötzlich Madame Kettering. Bis dahin hat er keine Ahnung, dass sie im Zug ist. Natürlich steigt er ein und geht zu ihrem Abteil. Sie stößt einen Überraschungsschrei aus, als sie ihn sieht, und schließt rasch die Verbindungstür, denn die Unterhaltung war vermutlich privater Natur.»
    Er lehnte sich im Sessel zurück und beobachtete, wie seine Worte langsam zu wirken begannen. Niemand wusste besser als Hercule Poirot, dass man die Schicht, zu der Mason gehörte, nicht antreiben darf. Er musste ihr Zeit geben, sich von ihren vorgefassten Vorstellungen zu trennen. Nach drei Minuten sagte sie:
    «Na ja, Sir, also, das könnte schon sein. Ich habe bloß noch nie daran gedacht. Mr Kettering ist groß und dunkel und so ähnlich gebaut. Ich habe den Hut und den Mantel gesehen, deswegen habe ich gedacht, das muss ein Gentleman von draußen sein. Ja, es kann auch der gnädige Herr gewesen sein. Ich bin aber nicht sicher, weder so herum noch andersherum.»
    «Vielen Dank, Mademoiselle. Ich brauche Sie wohl nicht länger. Ah, eine Sache noch.» Er zog das Zigarettenetui aus der Tasche, das er bereits Katherine gezeigt hatte. «Ist das das Etui von Madame?»
    «Nein, Sir, gehört nicht der Gnädigen – das heißt…»
    Plötzlich blickte sie erschrocken drein. Offenbar nahm eine Idee in ihrem Kopf Gestalt an.
    «Ja?», sagte Poirot ermutigend.
    «Ich denke mir, Sir – ich bin nicht sicher, aber ich meine – vielleicht hat sie das gekauft, um es dem gnädigen Herrn zu schenken.»
    «Ah», sagte Poirot, ohne sich festzulegen.
    «Aber ob sie es ihm wirklich gegeben hat, das weiß ich natürlich nicht.»
    «Genau», sagte Poirot, «ganz genau. Ich glaube, das wäre alles, Mademoiselle. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.»
    Ada Mason zog sich unauffällig zurück, wobei sie die Tür geräuschlos hinter sich schloss.
    Poirot sah Van Aldin mit einem schwachen Lächeln an. Der Millionär schien vom Donner gerührt.
    «Sie meinen – Sie meinen, es war Derek?», fragte er. «Aber bisher deutet doch alles in eine andere Richtung. Man hat den Comte mit den Juwelen doch sozusagen in flagranti erwischt.»
    «Nein.»
    «Was? Sie haben mir doch erzählt…»
    «Was habe ich Ihnen erzählt?»
    «Diese Geschichte mit den Juwelen. Sie haben sie mir doch sogar gezeigt.»
    «Nein.»
    Van Aldin starrte ihn an.
    «Wollen Sie behaupten, Sie hätten sie mir nicht gezeigt?»
    «Ja.»
    «Gestern – beim Tennis? Nicht gezeigt?»
    «Nein.»
    «Sind Sie verrückt, Poirot, oder ich?»
    «Keiner von uns ist verrückt», sagte der Detektiv. «Sie stellen mir eine Frage, ich antworte. Sie fragen mich, ob ich Ihnen gestern nicht die Juwelen gezeigt habe. Ich antworte – nein. Was ich Ihnen gezeigt habe, Monsieur Van Aldin, war eine erstklassige Imitation. Allerdings eine Imitation, die selbst der Fachmann kaum von den echten unterscheiden kann.»

Vierundzwanzigstes Kapitel

Poirot erteilt Ratschläge
     
    Z uerst blickte der Millionär Poirot verständnislos an. Es dauerte einige Zeit, bis er alles begriff. Der kleine Belgier nickte ihm freundlich zu.
    «Ja», sagte er, «das verändert die Sachlage, nicht wahr?»
    «Imitation!»
    Der Millionär beugte sich vor.
    «Hatten Sie von Anfang an diese Idee, Monsieur Poirot? Wollten Sie die ganze Zeit darauf hinaus? Haben Sie nie geglaubt, dass der Comte de la Roche der Mörder ist?»
    «Ich hatte meine Zweifel», sagte Poirot ruhig. «Das habe ich Ihnen auch gesagt. Raubmord» – er schüttelte energisch den Kopf – «nein, das ist kaum vorstellbar. Es passt nicht zur Persönlichkeit des Comte de la Roche.»
    «Aber Sie glauben, dass er die Rubine stehlen wollte?»
    «Selbstverständlich. Daran gibt es keinen Zweifel. Hören Sie, ich werde Ihnen sagen, wie ich die Sache sehe. Der Comte wusste von den Rubinen und hat entsprechende Pläne gemacht. Er heckt diese romantische Geschichte aus, über ein Buch, an dem er schreibt, um Ihre Tochter zu veranlassen, den Schmuck mitzubringen. Und er verschafft sich eine genaue Kopie der Juwelen. Es ist doch ganz klar, nicht wahr, dass er sie austauschen wollte. Madame Tochter war keine Expertin für Juwelen. Sie hätte alles sicher erst viel später bemerkt, und

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