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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arjan Visser
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denjenigen vielleicht für eine Feuerversicherung interessieren könne. Es folgte die richtige Antwort.
    »Auch bei Wasserschaden?«
    So, als Hausierer, kam ich hinein, und mein Kunde war einer der allerbesten Sorte. Er lud mich auf ein Glas Bier ein, setzte mir eine Mahlzeit vor und bot mir einen Schlafplatz an. Wir fanden schnell heraus, dass wir die Leidenschaft für den Boxsport teilten. Ich versuchte, ihn zu überzeugen, dass Joe Louis derBeste war, doch er bewunderte Tommy Farr aus Wales und behauptete, Louis habe beim Kampf um die Weltmeisterschaft vor fünf Jahren alles außer dem Titel verloren. Laut einem amerikanischen Freund, der dabei gewesen sei – das allein schon konnte ich mir nicht vorstellen –, habe der Schiedsrichter gezweifelt, wessen Arm er nach der fünfzehnten Runde hochhalten solle, und am Ende doch Louis nach Punkten gewinnen lassen. Ich war bereit, einzuräumen, dass Farr tapfer gekämpft hatte, aber um einen Weltmeister zu besiegen, musste man ihn knock-out schlagen oder mit einem großen Punkteunterschied gewinnen. Wir kabbelten uns noch ein bisschen und beschlossen dann, dass dieser Kampf für beide Boxer der bisher schönste gewesen war.
    »Wusstest du, dass ein Zuschauer und ein Zuhörer gestorben sind vor Aufregung?«
    Das wusste ich nicht, trotzdem fand ich, wie er, dass dieses Detail den Kampf noch legendärer machte.
    Wir knufften uns ein bisschen – »Wenn der Krieg vorbei ist«, sagte ich, »fordere ich dich zu einem Wettkampf heraus« – und gingen meine Reisepläne durch; bis zur französisch-spanischen Grenze war alles geregelt. Ich paukte die Liste mit Namen, Adressen und Kennwörtern. Wir brachten noch einen Toast auf den Weltfrieden aus und wünschten uns dann eine gute Nacht.
    Im Laderaum eines kleinen Lasters, der mich von Antwerpen zur französischen Grenze brachte, versteckt unter einem Haufen Decken, versuchte ich, mich an den Namen meines letzten Gastgebers zu erinnern. Ich beschloss, ihn Tommy zu nennen.
    Um die Zeit totzuschlagen, stellte ich mir vor, wie wir uns wiedersehen würden, und vergnügte mich damit, mir unterschiedliche Varianten auszudenken. Eine Begegnung fand, bei guterGesundheit, ein Jahr später statt, doch ich erfand auch eine, in der wir einander alt und gebrechlich vorsichtig umarmten.
    Eine Vollbremsung setzte meinen Grübeleien ein Ende. Die Plane wurde weggezogen und jemand rief, wir seien in Frankreich. Ich kam unter den Decken hervor – ohne mich zu fragen, ob das überhaupt sicher war. Der Lastwagenfahrer bedeutete mir wild gestikulierend, an den Straßenrand zu gehen; dort, zwischen den Bäumen, solle ich mich verstecken. Während ich Schutz suchte, hörte ich, wie er den Gang einlegte und der Laster ächzend anfuhr. Nach einer Weile wurde es still. Die Dunkelheit brach herein.

45
    Ein Licht geht an. Ich höre jemanden nörgelnd näher kommen.
    »Sie müssen schon im Bett bleiben, Mevrouw Kaptein!«
    »Ich will …« Irgendetwas. Ich verstehe sie nicht. Was es auch sein mag, sie bekommt es jedenfalls nicht. Liegen bleiben und still sein soll sie. Auf ihre Zimmergenossen Rücksicht nehmen.
    »Haben wir uns verstanden?«
    Das Licht erlischt, doch es wird nicht richtig dunkel. Ich sehe rote und grüne Kontrolllämpchen. Jemand dreht sich um. Mevrouw Kaptein wimmert leise.

46
    »Réveillez-vous!«
    Ein Mann in Jägerkluft zog mich auf die Füße und schleifte mich hinter sich her, tiefer in den Wald hinein. Als ich richtig wach war, machte ich mich los und bedeutete ihm, dass er vorgehen könne, ich würde ihm schon folgen. Wir liefen stundenlang. Ab und zu gab er mir ein Stück Brot zu essen. Einmal blieben wir stehen, um ein paar Schlucke kalten Tee aus seiner Feldflasche zu trinken. Dann gelangten wir an einen Bahnhof mit großem Rangiergelände. Er holte einen Overall aus seinem Tornister. Ich zog ihn an, er passte mir ganz knapp. Danach brachte mich der Schleuser zu einem Güterzug und zeigte auf die Radverkleidung unter einem der Waggons. Ich nickte. Er zeigte erneut, gestikulierte diesmal heftiger, und ich begriff, dass ich sofort in den Eisenkasten steigen sollte. Als ich darinlag und mich zu ihm umdrehte, deutete er auf seine Armbanduhr und sagte: »Trois heures, quatre arrêts, bonne chance.«
    Der Zug setzte sich auf der Stelle in Bewegung. Ich spannte mich an. Die Absätze stemmte ich gegen den Rand und verhinderte damit, dass ich herausrutschte, doch ich konnte mich nirgends festhalten. Vier Stationen. Vier Möglichkeiten,

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