Der Blaumilchkanal
dienstschlafenden Beamten die ganze Geschichte erzählte. Der Beamte antwortete:
»Na und?«
»Was heißt hier na und?« brüllte Meyer. »Der Kerl ruiniert mich. Ich kann seit Wochen nicht schlafen. Außerdem schädigt er mein Gehör, das ich für meinen Beruf brauche.«
»Bedaure«, bedauerte das Amtsorgan. »Gegen Lautsprecher nach Mitternacht kann ich einschreiten, gegen jemanden, der bellt, nicht. Außerdem fällt diese Angelegenheit in die Kompetenz der Stadtverwaltung.«
Am nächsten Morgen, nachdem Aristobolus ihn pünktlich um 5 Uhr 15 geweckt hatte, ging Samuel Meyer wieder zu seinem Rechtsanwalt und informierte ihn, daß Josua Obernik sich sozusagen als Selbsthund zu Hause hielt. Der Anwalt blätterte in seinen Gesetzbüchern und schüttelte den Kopf:
»Im britischen Mandatsgesetz kann ich nichts finden, was die Nachahmung von Tierstimmen verbietet. Auch die Ottomanischen Gesetze, die ja auf zahlreichen Gebieten unseres öffentlichen Lebens noch in Kraft sind, enthalten nichts Brauchbares. Hingegen schreiben sie Entlohnung für Personen vor, die zur Bewachung angestellt sind, also die Funktionen eines Wachhundes ausüben. Wir werden daher gegen Herrn Obernik Anzeige erstatten, weil er keine amtliche Bewilligung zum Halten eines Wachhundes beziehungsweise einer Wachtperson besitzt.«
Die Anzeige wurde erstattet. Sicherheitshalber fügte der erfahrene Jurist noch hinzu, daß Herr Obernik keine Hundesteuer für sich bezahlte, und verlangte seine sofortige Verhaftung wegen Steuerhinterziehung.
Die Reaktion der Behörde war niederschmetternd. Herr Obernik hatte nicht nur die vorgeschriebene Bewilligung eingeholt, sondern auf ein Jahr im voraus die Hundesteuer für sich bezahlt.
Aristobolus bellte immer lauter, immer unablässiger, immer durchdringender. Die Schlacht hatte ihr entscheidendes Stadium erreicht.
In einem letzten verzweifelten Gegenangriff verständigte Samuel Meyer das Gesundheitsministerium, daß sein Nachbar Aristobolus an Tollwut litte und im Interesse der Öffentlichkeit umgehend vertilgt werden müßte.
Das Ministerium schickte einen Tierarzt, der Herrn Obernik nach sorgfältiger Untersuchung ein amtliches Gesundheitszeugnis ausstellte. Die Rechnung ging an Samuel Meyer. Sie war beträchtlich.
Obernik hatte gesiegt. Am nächsten Monatsersten zog Meyer samt Familie aus.
»Recht geschieht ihm«, bemerkte die beste Ehefrau von allen. »Warum hat er nicht zurückgebellt?«
Es folgt nun des Begehrens zweiter Akt. Aus reiner Vorsicht ergänzte Moses die einzeln aufgezählten Neidobjekte durch die Worte »noch alles«, um jede Diskussion auszuschließen.
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10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht...
Moses hat sicherlich geahnt, daß die Begierde nach des Nachbarn Hab und Gut schnurstracks zur Konsumgesellschaft führt. Wer seinen Nächsten nicht beneidet, kann nämlich nicht nur den Esel vergessen, sondern wird auch nie im Leben eine langbeinige Sekretärin sein eigen nennen, ganz zu schweigen von einer neuen japanischen Waschmaschine, die gleichzeitig auch Fax und Aquarium ist.
Und wenn jemand des Nächsten Frau nicht begehrt, kann es nur zwei Gründe dafür geben: Entweder die Frau muß dringend abnehmen, oder der Mann braucht regelmäßige Hormonbehandlungen.
Moses bekam zwar Anweisung von oben, alle Gebote als strenge Warnung zu formulieren, aber hier hätte er mit einer kleinen Abwandlung mehr Erfolg gehabt: »Du sollst auf dein eigenes Weib besser aufpassen.«
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EIN GUT FRISIERTER EHEBRUCH ODER DER VERDACHT IST UNBEGRÜNDET
Friseur: Meine Damen und Herren! Wir wollen Ihnen einen Einblick in die Hölle menschlicher Leidenschaften geben. Die Personen des Einblicks sind drei verlorene Seelen, die sich in einem unentrinnbaren Netz von Wollust und Lüge verfangen haben: der Gatte, die Gattin und, na ja, sagen wir, ich. Ich bin von Beruf Friseur, aber das tut nichts zu der Sache, von der unser Drama handelt. Dieses Drama wollen wir Ihnen jetzt vorführen, rückhaltlos, offen, brutal. Wir verheimlichen nichts, wir zeigen alles, erotische Abenteuer, gefährliche Liebschaften, Sex, Sex und nochmals Sex. Das unerschöpfliche Thema, die ewige Tragödie des Menschengeschlechts, Eifersucht. Genauer, die Eifersucht des Mannes auf seine Frau. Ein spannungsgeladenes Produkt, vom Zensor zweimal beschlagnahmt, von der Produktionsleitung zweimal zurückprozessiert. Sind Minderjährige unter 16 Jahren anwesend? Nein?
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