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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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antwortete ich, »es sieht mir nach 083 aus.«
    Er wühlte erneut und gab auf:
    »Haben Sie eine Ahnung, wo Ihre Krankengeschichte abgelegt sein könnte?«
    »Da, in der Kartei.«
    »Haben Sie Lust nachzuschauen, wo Ihre Papiere sind?«
    Ich ging hin, fand meine Papiere und reichte sie ihm.
    Er nahm einen Stempel und drückte ihn auf eine leere Zeile. Dann wandte er sich wieder an mich:
    »Also, was fehlt Ihnen?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Ich hab' Schmerzen im Hinterkopf.«
    Ich fügte hinzu, daß mein Enkel Rudi zufällig seit gestern über ähnliche Schmerzen klage. »Wie alt ist das Kind?« fragte er.
    »Zweieinhalb Jahre«, antwortete ich. »Ich gehe mit ihm zur Kinderärztin.«
    »Zu Dr. Friedmann?« fragte er.
    »Nein«, antwortete ich, »zu einer anderen.«
    »Und was stellte sie bei ihm fest?« fragte der Doktor.
    »Wegen dieser Beschwerden waren wir noch nicht dort«, antwortete ich.
    »Gehen Sie, gehen Sie nur hin«, sagte der Arzt und begann laut nachzudenken, was wohl meine hinteren Schmerzen bedeuten könnten.
    »Wann haben sie begonnen?« erkundigte er sich.
    »Vor einem Monat.«
    »Sind Sie bei uns behandelt worden?«
    »Ja.«
    »Wieso haben Sie dann noch Schmerzen?«
    »Das war so«, erklärte ich ihm, »eines Tages kam ich ungefähr eine Viertelstunde vor Dienstschluß hierher, und da sagte man mir, daß der für mich zuständige Arzt weggegangen sei und sein Vertreter schon am Vormittag die Arbeit von drei wegen Krankheit ausgefallenen Ärzten bewältigen mußte. Daher war er nicht mehr bereit, weitere Patienten zu behandeln.«
    »Das ist verständlich«, sagte der Arzt. »Was war weiter?«
    »Ich fragte ihn, wann ich wiederkommen könnte, und er bestellte mich für 15 Uhr am nächsten Nachmittag.«
    »Wie spät ist es jetzt?« fragte der Arzt.
    Ich sagte ihm, wie spät es sei und fuhr fort:
    »Als ich am nächsten Tag pünktlich zur angegebenen Zeit hinkam, um eine Nummer zu bekommen, sagte mir die Assistentin im Vorzimmer, ich käme heute nicht mehr dran, weil der Herr Doktor seinen Staubsauger am Zollamt abholen mußte. Ich fragte, ob ein Kassenpatient nur dann erkranken dürfe, wenn es den Ärzten passe, und sagte ihr alles, was ich von diesem Berufsstand hielt. Sie erwiderte, sie könne gar nichts dafür, denn sie wäre auch nur als Vertretung hier, für eine Tante mütterlicherseits.«
    Der Arzt blickte von seinen Formularen auf: »Warum haben Sie nicht gleich gesagt, daß Sie hier schon in Behandlung waren?«
    »Das nennen Sie Behandlung?«
    Der Arzt war indigniert.
    »Also, was wollen Sie?« fragte er.
    »Daß Sie nachsehen, warum ich Schmerzen im Hinterkopf habe.«
    »Gut, machen Sie den Mund auf.«
    Ich sperrte den Mund auf, und er schaute sich meinen Hals an. Dann sagte er: »Sie haben große Mandeln.«
    »Ja«, gab ich zu, »ich weiß.«
    »Sehr große Mandeln«, sagte der Arzt, »was soll ich Ihnen da verschreiben?«
    »Ich weiß nicht. Sie sind doch der Arzt.«
    Eine nachdenkliche Stille setzte ein. Dann fragte er:
    »Also wollen Sie jetzt ein Medikament?«
    »Ich will, daß die Kopfschmerzen weggehen.«
    »Haben Sie irgend etwas zu Hause, Tropfen oder ähnliches?«
    »Nein.«
    »Schade«, bemerkte der Arzt, »wissen Sie irgendein Medikament, das Ihnen hilft?« »Magenbitter.«
    »Gut, dann verschreibe ich Ihnen Magenbitter«, sagte der Arzt und verschrieb erleichtert Magenbitter.
    Ich bedankte mich.
    »Keine Ursache«, sagte der Helfer der Menschheit. »Wenn ich Ihnen raten darf, kommen Sie nach den Feiertagen wieder, dann wird Ihr zuständiger Arzt wieder da sein. Ich bin nur seine Vertretung für Donnerstag.«

    »Danke schön«, sagte ich und ging. Es war eine kurze Visite. Wenn ich wieder einmal krank werden sollte, dann werde ich mich auch nach einem Vertreter umsehen. Auge um Auge, Kopfweh um Kopfweh.
    Die Bibel löst jedes unlösbare Problem mit der bekannten Schlußfolgerung: »Der Mensch ist schlecht von Geburt an.« Das heißt also, man kann gar nichts dagegen tun. Die Psychiater sind da ganz anderer Ansicht. Sie machen die Umstände für alles verantwortlich. Ich teile beide Meinungen. Die Umstände sind schuld, aber der Mensch macht die Umstände.

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RETTET DIE KULTUR ODER SCHNELLKURS IN MISSTRAUEN
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