Der Blaumilchkanal
Autobus.
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DIE GESCHICHTE DER BLINDEN AUGENZEUGEN
Ort der Handlung: Jede Autobushaltestelle
Zeit: Jederzeit
Personen: Jedermann
Dr. Partzuf (bricht die bereits geschlossene Tür auf und drängt sich in den zur Abfahrt
bereiten Bus): In Ordnung. Fahren wir!
Fahrer (stellt den Motor ab): Sie dort! Steigen Sie aus!
Dr. Partzuf: Warum?
Fahrer: Ich bin kein Auskunftsbüro. Sagen Sie schön »Idiot« oder etwas Ahnliches, und steigen Sie aus.
Dr. Partzuf: Ich denke nicht daran. Hier ist Platz genug. Die Herrschaften brauchen nur ein wenig zusammenzurücken (er drängt mit voller Wucht gegen die geballte Menge) .
Nervöser Herr: Was gibt's denn? Was denkt sich der Fahrer eigentlich? Ein Passagier mehr oder weniger spielt doch keine Rolle. Fahren wir!
Ältere Dame: Ganz richtig. Noch dazu ein so magerer Mensch. Der nimmt keinen Platz weg. Fahren wir endlich.
Fahrer: Solange der Mann noch im Wagen ist, wird nicht gefahren. Ich habe Zeit.
Dr. Partzuf: Idiot! (will aussteigen) .
Zwicker (packt ihn am Ärmel): Warten Sie, warten Sie. Nur nicht nervös werden. Und Sie, Fahrer, hören Sie mit den Witzen auf und lassen Sie diesen armen Kerl mitfahren. Aus so etwas macht man keine Prestigefrage. Geben Sie Gas und fahren Sie los.
Fahrer: Ich weiß nicht, mit wem Sie reden. Ich habe Zeit.
Nervöser Herr: Unverschämtheit!
Manfred Toscanini: Durch solche Fahrer entstehen die Wirtschaftskrisen. Es ist ein Skandal. Ältere Dame: Pfui!
Ein Iraki: Allah wird ihn bestrafen.
Dr. Partzuf: Ich möchte aussteigen.
Zwicker: Immer mit der Ruhe, alter Freund. Das ist jetzt nicht mehr Ihre Privatangelegenheit. Es betrifft
uns alle. Seien Sie kein Feigling. Hauen Sie dem Fahrer eine herunter, und es ist in Ordnung. Dr. Partzuf: Ich möchte aussteigen.
Viele Stimmen: Nichts da ... Hiergeblieben... Bestehen Sie auf Ihrem guten Recht, Mann ... Sie sind Steuerzahler ... Wir dürfen uns nicht tyrannisieren lassen ... Heute dir, morgen mir...
Nervöser Herr (beugt sich zum Fenster hinaus, was streng verboten ist): Polizei, Polizei. Fahrer (sortiert mit nervenzermürbender Ruhe sein Kleingeld): Polizei, Polizei.
Polizist (zwängt sich mühsam in den Wagen) : Alles nach hinten, bitte! Was geht hier vor?
Nervöser Herr: Der unverschämte Kerl von einem Fahrer hat diesen Herrn hier einen Idioten geschimpft und wollte ihn vom Trittbrett stoßen. Natürlich mußte sich der Herr zur Wehr setzen und hat ihn geboxt. Daraufhin hat der Fahrer zurückgeschlagen, das ist alles.
Polizist: Wenn das so ist, nehme ich den Fahrer sofort auf die Polizeistube mit (zieht sein Notizbuch heraus) . Ich brauche zwei Zeugen für die Gerichtsverhandlung. Ihr Name?
Nervöser Herr: Ich Tourist. Nicht sprechen gut. Amerikaner. Nje ponjemaj po ruski.
Polizist: Vielleicht Sie?
Ältere Dame: Das stellen Sie sich so vor! Und wer wird für den kleinen Herschi kochen? Sie? No also. Außerdem hab' ich nichts gesehn. Ich hab' meine Brille zu Haus vergessen.
Polizist: Sie heißen?
Iraki: Allah Akbar.
Polizist (blickt zornig um sich) : Jetzt ist es genug. Wenn sich keine Zeugen melden, kann ich gegen den Fahrer nicht einschreiten. He, Sie dort! Kommen Sie sofort her! Wie heißen Sie?
Manfred Toscanini: Dr. Lloyd Sauermilch, interne Krankheiten, Sadam-Hussein-Boulevard 101, zweimal läuten (er verzieht sich ans andere Ende des Autobusses, während der Polizist Notizen macht) .
Polizist: Jetzt brauche ich noch einen Zeugen.
(Lange nervöse Stille)
Nervöser Herr: Also, ich weiß gar nicht, was man gegen diesen Fahrer überhaupt aussagen sollte. Ist es vielleicht seine Schuld, wenn ein undisziplinierter Fahrgast sich weigert, einen zum Bersten überfüllten Autobus zu verlassen?
Ältere Dame: Ganz meine Meinung! Der arme Autobuslenker arbeitet unter den schwierigsten Bedingungen, und dann kommt so ein Schwarzhändler daher ...
Manfred Toscanini (aus dem Hintergrund) : Gegen arbeitende Menschen darf man nichts sagen! Die Zeiten sind vorbei!
Dr. Partzuf: Ja ... nein ... gewiß ... ich wollte ja gar nicht...
Zwicker: Schweigen Sie! Vor ein paar Minuten haben Sie noch das Maul aufgerissen, und jetzt wissen Sie plötzlich von nichts. Ein Skandal! Steigen Sie nächstens aus, wenn der Fahrer Sie höflich darum ersucht!
Manfred Toscanini: Warum halten wir uns so lang mit dem Kerl auf? Wir brauchen ihn nur hinauszuwerfen und können weiterfahren.
Viele Stimmen: Jawohl... Sehr richtig... Wachtmeister, werfen Sie diesen
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