Der Blaumilchkanal
Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Es entspricht schließlich den Tatsachen, daß man ihn wegen der betreffenden unzüchtigen Handlung angezeigt hat.
Mit etwas Glück kann er lediglich erreichen, daß die Zeitung die Erklärung seines Anwalts veröffentlicht: »Es ist nicht richtig, daß mein Klient mit einer Minderjährigen geschlechtlich verkehrt hat. Im Gegenteil, er hat mit einer Minderjährigen keinen Geschlechtsverkehr gehabt.«
Hat der geneigte Leser eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, wie problemlos ein Prominenter nur durch die Androhung eines derartigen Prozesses zu erpressen ist? Ein Kinderspiel.
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Man kann aber ganz gut auch ohne Prozeß falsches Zeugnis geben. Mit ein paar gezielten Sätzen in einem Interview kann ein ähnlicher Effekt erreicht werden. Diese Variante der professionellen Verleumdung erfordert zwar direkten Kontakt zwischen Opfer und Täter, aber zumeist spielt das Opfer problemlos mit, weil jeder gern seinen Namen in der Zeitung liest. Das läuft dann so ab:
Jonny: Herr Professor, was halten Sie von Drogen?
Professor W.: Drogen können zwar momentane Erleichterung bringen und einen Menschen von seinen persönlichen Problemen ablenken, auf lange Sicht aber gefährden Drogen Körper wie Psyche.
Jonny: Verurteilen Sie also den Gebrauch von Drogen, Herr Professor?
Professor W.: Verurteilen? Was heißt da verurteilen? Ich fordere nachdrücklich, all jene, die in irgendeiner Art und Weise den Gebrauch von Drogen ermöglichen, auf das Schärfste zu bestrafen.
Das Interview, das dann prominent aufgemacht auf der letzten Seite erscheint, gibt das wissenschaftliche Gespräch etwas gerafft, aber völlig authentisch wieder:
»... was den Gebrauch von Drogen betrifft, vertritt Professor W. eine recht >flexible< Anschauung. Drogen, sogar die gefährlichsten, können ihm zufolge den Menschen Erleichterung bringen, ja sogar persönliche Probleme lösen. Er empfiehlt jedoch lediglich vorübergehenden Gebrauch von Drogen. Auf unsere Frage, ob er dann eigentlich den Gebrauch von Drogen verurteile, erwiderte der Professor: >Verurteilen? Was heißt da verurteilen?<«
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Eine volkstümliche Spielart ist das Interview ohne persönlichen Kontakt, in Fachkreisen auch »Geständnis des freundlichen Gemüsehändlers« genannt. In diesem Fall begibt sich der Profi zum Feinkostgeschäft oder zum Obstladen im Stadtviertel des zu beseitigenden Prominenten und fragt den Obsthändler Mustafa:
»Sagen Sie, der Inspektor Goldberger, ist der eigentlich ein guter Kunde?«
»Gut«, sagt Mustafa mit feuchtem Blick, »ja freilich ist er gut, der Goldberger.«
»Und Sie schätzen ihn sicher, nicht wahr?«
»Ja, warum denn nicht? Ich schätze alle meine Kunden.«
»Dann haben Sie ihm doch bestimmt etwas zu Weihnachten geschenkt, Mustafa?«
»Freilich hab' ich, wie allen anderen auch, jedes Jahr ein Fläschchen Wein, ein netter Kerl, der Goldberger.«
Und Inspektor Goldberger freut sich am nächsten Tag über folgenden Zeitungsartikel:
»Der Kaufmann M. Alrisi: >Jetzt rede ich! Inspektor Goldberger beschafft sich regelmäßig alkoholische Getränke aus meinem Laden, ohne zu bezahlend«
Zum Abschluß kann ich als besonders anspruchsvolles Verleumdungsmodell für Fortgeschrittene den Einsatz der tückischen Anführungszeichen empfehlen. Dies setzt allerdings ein gewisses stilistisches Talent voraus. Die Wirkung der Anführungszeichen im geschriebenen Text läßt sich nämlich mit der des sarkastischen Lächelns im Gespräch vergleichen. Eine »gerechte Sache« wird in Anführungszeichen automatisch zu einer ungerechten.
Nehmen wir zum Beispiel einen ganz harmlosen Lebenslauf. K. wurde 1924 geboren, absolvierte das Abitur mit Auszeichnung, ebenso das Studium des Internationalen Rechts, das er nach nur drei Jahren beendete. Wenn jetzt ein Presseprofi an die Berichterstattung gesetzt wird, sieht Herrn K.s Porträt mit dem Titel »Endlich! Jetzt Herrn K.s wahres Gesicht« folgendermaßen aus:
»K. ist ein echter >Lebenskünstler<«, beginnt es, »er wählte für seine Geburt ein sehr >günstiges< Jahr aus, das Jahr der Wirtschaftsblüte. Schon in der Schule war, der ehrgeizige
Junge, den seine Klassenkameraden heimlich >Duckmaus< nannten, >ausgezeichnet< und begann >flugs< sein Universitätsstudium. Jeder, der K. kennt, kann sich denken, daß er sich ausgerechnet mit >Internationalem< Recht beschäftigte, denn schon damals schielte er auf die Fleischtöpfe jenseits des Ozeans. Und ganz im Sinne seines
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