Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
Vom Netzwerk:
teilen den Kuchen, dienen.« Man konnte nicht mehr umhin, zu bemerken, dass er jetzt ganz anders wirkte als am Anfang. Letztlich war nicht eindeutig auszumachen, ob er seine abschließende Paränese geplant oder vorbereitet hatte oder ob er einfach nur aus tiefstem Herzen sprach. Sein Hut war deutlich eleganter und europäischer, als es der meines Vaters gewesen war, sein Kniff schärfer und eine Feder ins Hutband gesteckt – er musste mindestens zwanzig Jahre alt sein. Als er abschließend die Arme hob, hielt die eine Hand immer noch den Hut –
    »Meine Herren, Sie sind hier zur Rechenschaft.«
    Ein paar der verbliebenen Studenten klatschten, eigentlich ein schreckliches Geräusch, wenn es nur von ein paar vereinzelten Händen hervorgebracht wird – wie eine Tracht Prügel oder eine Abfolge schlecht gelaunter Klapse. Ich erinnere mich, dass ich plötzlich etwas vor mir sah, das in einer Krippe lag und mit den Gliedern sinnlos in der Luft herumzuckte, mit offenem und feuchtem Mund. Und dass ich dann in einer seltsam hyperbewussten Benommenheit durch die Passerelle zur Daniel Hall zurückging, hinunter, hinaus und zur Bibliothek hinüber, gleichzeitig desorientiert und hellwach, und dann bricht die Erinnerung an den Vorfall eigentlich ab.
    Meine erste daran anschließende Erinnerung ist, dass ich in den Weihnachtsferien in Libertyville zum Friseur gegangen bin. Und dann bin ich zu Carson Pirie Scott’s in Mundelein gegangen und habe einen dicht längsgerippten dunkelgrauen Wollanzug ohne Schlitz sowie Hosen mit doppelten Bundfalten erstanden, außerdem ein weit geschnittenes Karojackett mit breiten eingekerbten Aufschlägen, das ich dann praktisch nie getragen habe, weil es sich am dritten Knopf immer einrollte und so Schößchen produzierte, wenn es ganz zugeknöpft wurde. Ich kaufte mir auch Nunn-Bush-Budapester aus Leder und drei Anzughemden – zwei weiße Oxfordhemden und eines aus hellblauer Sea-Island-Baumwolle. Alle drei Hemden hatten Button-down-Kragen.
    Abgesehen davon, dass ich meine Mutter praktisch zum Weihnachtsessen bei Joyce in Wrigleyville schleifen musste, verbrachte ich fast die ganzen Ferien im Haus und recherchierte Studienmöglichkeiten und Anforderungen. Ich weiß noch, dass ich anhaltend und konzentriert nachzudenken versuchte. Meine Gedanken und Gefühle in Bezug auf Uni und Abschlüsse hatten sich total verändert. Ich fühlte mich auf einmal vollkommen hinterher. Es hatte etwas von dem Gefühl, wenn man auf die Uhr schaut und plötzlich merkt, dass man zu spät zu einer Verabredung kommt, aber das jetzt im Großmaßstab. Mir blieb nur noch ein Semester, bis ich eigentlich meinen Abschluss machen sollte, und im Hauptfach Rechnungswesen fehlten mir noch sage und schreibe neun Pflichtveranstaltungen, ganz zu schweigen vom Versuch, mich zur CPA -Prüfung zu melden. Bei Waldenbooks in der von der Milwaukee Road abgehenden Galaxy Mall kaufte ich mir einen Leitfaden von Barron’s über die CPA -Prüfung. Diese wurde dreimal jährlich angeboten, dauerte zwei Tage, und es wurde einem nachdrücklich empfohlen, die Einführung und die Weiterführung in Betriebswirtschaft absolviert zu haben, außerdem Betriebsrechnungswesen, zwei Semester Steuerprüfung, Wirtschaftsstatistik – was an der DePaul ebenfalls Seminare von berüchtigter Brutalität waren –, eine Einführung in die Datenverarbeitung, ein oder besser zwei Semester Steuerbuchhaltung und darüber hinaus Treuhandbuchhaltung oder nicht gewinnorientierte Buchführung und schließlich ein oder mehr Semester Wirtschaftswissenschaft. Ein klein gedrucktes Beiblatt empfahl des Weiteren Kenntnisse in mindestens einer »höheren Programmiersprache« wie COBOL . Das einzige Computerseminar, das ich je abgeschlossen hatte, war Einführung in die Computerwelt an der UI -Chicago gewesen, und da hatten wir hauptsächlich selbst programmiertes Pong gespielt und dem Prof geholfen, die 51.000 Hollerithkarten wieder zu ordnen, auf denen er Daten für ein Projekt gespeichert und die er auf einer rutschigen Treppe versehentlich fallen gelassen hatte. Usw. usf. Außerdem entdeckte ich beim Blick in ein Handbuch Wirtschaftsstatistik, dass man Infinitesimalrechnung brauchte, und ich hatte nicht mal Trigonometrie gehabt – im Abschlussjahr an der Highschool hatte ich stattdessen Perspektiven des modernen Theaters belegt, und ich erinnere mich nur zu gut, dass mein Vater mir deswegen die Daumenschrauben angelegt hatte. Mein Hass auf Algebra II und die

Weitere Kostenlose Bücher