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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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es um Durchsatz.«
    »Der durchschnittliche Standardprüfer konnte täglich siebenundzwanzig bis dreißig Dossiers sichten.«
    »Heute schafft man vier bis fünf Dossiers am Tag – wenn Ihre Revision-zu-Kosten-Quoten gut sind, sind Sie nach sechs Monaten Anwärter auf eine hervorragende Mitarbeiterbeurteilung.«
    »Je höher Ihr täglicher Dossierdurchsatz, desto mehr steigen natürlich auch Ihre Chancen auf hochquotige Dossiers und desto eher können Sie 20er sichten, die substanzielle Erträge abwerfen.«
    »Sie sollten sich aber lieber nicht darauf konzentrieren, so viele Dossiers wie möglich zu bearbeiten, denn dann erkennen Sie keine besonders profitablen Steuererklärungen mehr.«
    »Wir vermeiden nach Möglichkeit den Begiff profitabel «, sagte die SLC . »Wir benutzen lieber den Begriff regelwidrig .«
    »Aber in einer auffallend regelwidrigen Steuererklärung kann es um eine so niedrige Ziffer 23 gehen, dass Nachsicht tatsächlich effizienter sein kann, dafür aber die Steuererklärung gleich daneben weiterzuleiten, die zwar vielleicht nur wenige Fehler oder Unstimmigkeiten enthält, dafür aber weit höhere Revisionserträge abwirft.«
    »Solche Fragen bleiben am besten Ihrer Gruppenorientierung überlassen.«
     
    Jetzt fielen Cusk richtige Schweißtropfen aus den Haarspitzen, und in ihm ertönte ein unhörbarer Schrei.
    »Gut«, sagte die SLC . »Machen wir hier doch mal Pause, damit Sie sich frisch machen können, und dann gehen wir auf die allgemeinen Kriterien für die Entscheidung Revision/keine Revision ein.«
    Es gab eine Pause. Damit hatte David Cusk nicht gerechnet. Das Licht würde angehen. Alle würden aufstehen und gleichzeitig den Raum verlassen. Wenn er sitzen blieb, würde die schöne Frau hinter ihm seinen durchweichten Kragen und die schweißdunkle V-Form auf seinem dunkelblauen Anzughemd sehen, für das er sich übermütiger- und idiotischerweise entschieden hatte, statt vorsichtshalber das unverdunkelbare weiße Hemd anzuziehen. Er würde vorgebeugt dasitzen und so tun, als studiere er den M1-Ausdruck in seinen Orientierungsunterlagen, seine Körpertemperatur weit über 38°, während ihm auf allen vier Seiten sichtbare Schweißtropfen aus den Haaren fielen und Unterlagen, Hemdsärmel und die aufzischende Seite des Schwenklämpchens tüpfelten – das konnten die Leute jetzt überhaupt nicht mehr übersehen. Wenn er aber aufstand und sich zu den anderen Gruppen gesellte, die durch die ansteigenden Gänge zu den beiden Türen gingen, dann bekamen die Leute erst recht mit, was mit ihm los war, auch die schöne unnahbare Französin oder vielleicht auch Italienerin hinter ihm. Das war sein Albtraumszenario. Wenn er in diesen Bahnen dachte, war die Attacke absolut vorprogrammiert, und genau das hatte David Cusk gerade noch gefehlt. Er zwang sich, den Kopf zu heben. Den heißen Suchscheinwerfer, den er auf sich gerichtet spürte, gab es nicht. Die Frau hinter ihm war ein Mensch mit seinen eigenen Problemen und achtete gar nicht auf ihn – das war Einbildung. Ihr machte es nur was aus, dass sein Kopf im Weg war, dass sie die Schenkel zusammendrücken und sich zur Seite lehnen musste, um das Podium und die Leinwand sehen zu können, auf der ein Mehrfachbild zweier Schreibtische flackerte, während die SLC den Projektor mit einer Handbedienung scharf zu stellen versuchte, die über ein Kabel mit dem Projektor verbunden war, das sich um ihr eines Bein gewickelt hatte.
     
    Am Morgen vor der Abreise hatte Sylvanshine vergessen, sich das Shampoo aus den Haaren zu waschen. Deswegen hatte er jetzt die flammenförmige Frisur.
     
    David Wallace genoss unterdessen keine allgemeine Orientierung mit raffinierter Diashow. Stattdessen war er (von jemandem, der nicht Ms Neti-Neti war) – ohne Gelegenheit, etwas zu essen – in einen kleinen Raum im RPZ -Anbau gebracht worden, in dem er zusammen mit vier anderen Männern, alles GS -13ern, einer Präsentation über Mindestsätze bei Präferenzen folgte, die ihren Ursprung offenkundig in Lyndon Johnsons demokratischer Präsidentschaft der 1960er hatten. Der Raum war klein und stickig und verfügte weder über ein Whiteboard noch über Audio-/Video-Geräte. Es roch allerdings stark nach Whiteboardstiften. Die anderen Männer im Raum waren konservativ gekleidet, trugen Hüte und waren sehr ernst, hatten Notizbücher vom Finanzministerium in Kunstledermappen mit Reißverschluss, auf deren Umschlag das IRS-Siegel und -Motto eingeprägt waren, und da David

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