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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Wallace so eines nicht bekommen hatte, schrieb er in seinem privaten Notizbuch mit, das er so umgeklappt hatte, dass das IGA -Preisschild in der rechten oberen Ecke nicht zu sehen war.
    Die Präsentation war staubtrocken, hatte anscheinend ein sehr hohes Niveau und wurde von jemandem durchgeführt, der einen schwarzen Anzug und eine schwarze Weste entweder über einem weißen Rollkragenpullover trug – was bei dem heißen Wetter grotesk gewesen wäre – oder aber über einem dieser abnehmbaren, steif gestärkten viktorianischen Vatermörder, die die Männer ganz am Ende des viktorianischen Ankleideprozesses anzulegen und mit separaten Kragenknöpfen zu befestigen pflegten. Er sprach abgehackt, unpersönlich und geschäftsmäßig. Er wirkte sehr streng und herb und hatte große schwarze Furchen in den Wangen und Falten unter den Augen. Er erinnerte ein bisschen an Populärdarstellungen des Todes.
    »Wie wir sehen werden, revidierte das Reformgesetz von ’78 die expansionistischen Tendenzen der Regelungen von ’76, indem sowohl langfristige Kapitalertragsabzüge als auch überschüssige abzugsfähige Sonderausgaben aus der Liste relevanter Präferenzen wieder gestrichen wurden.« Der Begriff Präferenzen war schon ein paarmal gefallen. Es versteht sich von selbst, dass David Wallace die Bedeutung des Begriffs ebenso unbekannt war wie die Tatsache, dass Präferenzen ein geschickter Schachzug vom Kongress waren, die Steuerlast einer bestimmten Einkommensgruppe zu reduzieren, ohne den Steuersatz zu senken – man legalisierte einfach bestimmte Abzüge oder Rückstellungen, die bestimmte Einkommensteile aus der Bemessungsgrundlage ausklammerten, und diese Rückstellungen liefen im Service unter dem Sammelbegriff Präferenzen . Hauptsächlich dank Chris Acquistipace bekam David Wallace später heraus, dass die Gruppe für MPT und Ergänzungseinkommenssteuer die Aufgabe hatte, bestimmte Rückstellungen einzutreiben, die die Steuerrechtsreformen von ’76 und ’80 eingeführt hatten, um extrem wohlhabende Menschen und S-Corporations davon abzuhalten, durch die Inanspruchnahme sogenannter »Steuervergünstigungen« überhaupt keine Steuern mehr zu zahlen. Die Immersionsgruppe, der David Wallace zugeteilt wurde, gehörte zum EES/S -Immersionstrupp (für Ergänzungseinkommenssteuer/Steuervergünstigungen). Es wäre peinlich, an dieser Stelle einfach zu sagen, wie lange David Wallace brauchte, um das auch nach mehreren Tagen vorgeblicher Dossierprüfungen auf die Reihe zu bekommen.
    »Wir werden allerdings sehen, dass das Reformgesetz von ’78 überschüssige immaterielle Bohrkostenabzüge für das gesamte ausgewiesene Einkommen aus der Öl-und-Erdgas-Produktion auf die Liste zulässiger Präferenzen setzte, was im Endergebnis die nach dem Ölschock Mitte der Siebziger eingeführten energiebezogenen Steuervergünstigungen ins Visier nahm; vgl. § 312 (n) des revidierten Gesetzes.« David Wallace tat so, als mache er sich Notizen, indem er einfach immer das letzte Wort oder die letzte Wendung des Schulungsleiters mitschrieb, ähnlich wie er das schon bei Vorlesungen an der Uni gehalten hatte, in denen er gegen Honorar für jemanden mitgeschrieben hatte, der dringend Ski laufen musste oder einen bösen Kater hatte. Deshalb war David Wallace’ linke Hand weit muskulöser und fester – besonders der Muskel zwischen Daumen und Zeigefinger trat hervor, wenn der Bleistift aufs Papier gedrückt wurde – als die rechte. Beim Mitschreiben war er schnell wie der Wind.
    »Die für Ihre Memo-20-Protokolle relevantesten Rückstellungen sind, dass ’78 der ATP -Steuersatz auf fünfzehn Prozent angehoben und festgelegt wurde, dass ATP -Standardabzüge über entweder (a) dreißigtausend Dollar oder aber (b) fünfzig Prozent der anfallenden Steuer nur im laufenden Jahr geltend gemacht werden durften, was die Stammdokumentation überflüssig fand, was in den Rückstellungen ’80 aber nicht berücksichtigt wurde.«
    Ein GS -13 hob den Füllfederhalter – nicht die Hand, sondern nur den Stift mit einem coolen Handgelenkschnippen – und stellte eine absurd unverständliche Frage, die David Wallace nicht mitschrieb, weil er die Hand abwechselnd lockerte und zur Faust ballte, um einen Krampf abzuschwächen, den er immer bekam, wenn er längere Zeit mitschrieb; seine linke Hand bekam dann eine Art automatische Schreiberkralle und behielt sie manchmal noch, wenn er mit dem Mitschreiben fertig war, und manchmal musste er dann bis zu eine

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