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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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und das sich wiederholende Tirilieren der Vögel in Wirklichkeit vielleicht einen nur anderen Vögeln verständlichen Code darstellte und »Hau ab«, »Das ist mein Ast!« oder »Das ist mein Baum! Ich bring dich um! Bring dich um! Bring dich um!« bedeutete. Oder anderes dunkles, brutales und selbstschützendes Zeug – vielleicht lauschten sie ja Schlachtrufen. Der Gedanke kam aus dem Nichts und ließ seine Stimmung aus irgendwelchen Gründen in den Keller gehen.

§ 32
    »Verlang das bitte nicht von mir.«
    Ich stellte meine Schwester und Mitbewohnerin Julie auf den Lautsprecher um, während sie sich noch rausreden wollte. Wir waren alle in meinem Teil der Wabe. Ich saß an meinem Arbeitsplatz, und die anderen standen drum herum. »Ich hab’s ihnen erzählt, und sie glauben mir einfach nicht. Glauben nicht an die unheimliche Genauigkeit, die ich ihnen wieder und wieder beschreibe, ohne ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen zu können, am wenigsten Jon hier, von dem ich dir schon erzählt habe.« Ich sah Soane an, während ich sie weichkochte. Julie ist meine Schwester. Ihre Stimme klang im Lautsprecher nicht nach ihrer Stimme – sie bekam diesen blechernen, trockenen Klang. Steve Mead trug immer den Gummifingerling eines Bankangestellten auf dem rechten kleinen Finger. Aus dem der Wabe nächstgelegenen Revisionsraum drang der ständige reißende, metallische Zahnarztbohrerton eines Druckers, der uns allen durch Mark und Bein ging. Steve Mead, Steve Dalhart, Jane Brown und Likourgos Vassiliou standen alle in meinem Wabenteil um den Lautsprecher herum, und Soane hatte seinen Stuhl etwas vom Schreibtisch zurückgerollt und sich ebenfalls in den Kreis eingereiht.
    »Ich kann das nicht auf Befehl. Ich komm mir blöd vor; zwing mich nicht«, konstatierte Julie.
    »Wer hat dir erst heute Morgen drei Haarbänder gekauft, obwohl du nur um eins gebeten hast?«, fragte ich und machte für die anderen eine Daumen-hoch-Geste.
    Schweigen meiner kleinen Schwester am anderen Ende der Leitung.
    »Ich hab ihnen schon erklärt, dass der Effekt am Telefon teilweise verloren geht. Ohne die Augen und das Gesicht. Also kein Druck, niemand erwartet Vollkommenheit.«
    »›Toller Tag für einen Exorzismus, Pater.‹«
    Selbst über den Lautsprecher. Steve Mead zuckte richtig zusammen. Ich musste den Impuls unterdrücken, zu kichern und mir vor Wonne auf den Knöchel zu beißen. Dalhart und Jane Brown sahen sich an, ihre Körper sackten zusammen und strafften sich wieder, um anzudeuten, wie verblüfft sie waren.
    »›Deine Mutter lutscht Schwänze in der Hölle!‹«, sagte Julie und zog die Nummer durch.
    »Verblüffend, Nugent.«
    »Mein Gott« und »Das ist unheimlich«, sagte Steve Mead. Er ist immer extrem bleich und sieht krank aus. Eine Kreuzschlitzschraube löste sich teilweise aus einer Strebe in der Rückenlehne von Soanes Stuhl. Das Reißgeräusch des Druckers ging weiterhin allen durch Mark und Bein.
    Dale Gastine und Alice Pihl, die Revisionen immer im Team durchführen, streckten die Köpfe über die Wabenwand, um zu sehen, was da los war.
    »Es wäre noch besser, wenn ihr ihr Gesicht sehen könntet. Sie verdreht die Augen ganz nach oben, wird bleich und bläht die Wangen auf und so – sie sieht ihr überhaupt nicht ähnlich, bis sie damit anfängt, aber dann ist es unheimlich.« Ich sagte das. Soane, der immer wahnsinnig cool und relaxt ist, kratzte mit einer Büroklammer aus dem Spender an einem Nagelhäutchen herum.
    Julies normale Stimme drang aus dem Lautsprecher. Ich finde Jane Brown attraktiv, Soane aber nicht, das weiß ich. »Reicht das?«
    »Du müsstest die sehen. Die sind hier alle völlig von der Rolle. Toll, dass du das gemacht hast«, sagte ich. Jane Brown trägt immer denselben orangen Blazer. »Die glotzen nur noch. Ich habe es dir zu verdanken, dass meine Glaubwürdigkeit hier in die Höhe geschnellt ist.«
    »Wir sprechen uns noch, wenn du nach Hause kommst, Cowboy, darauf kannst du einen lassen.«
    »Aber kann sie die Luft auch zum Frieren bringen und mit der Haut Hilfe schreiben, wenn sie –«
    »Einen noch«, flüsterte Mead, der Farm-Revisionen macht, immer an den Schalter geht, wenn ein hilfsbedürftiger Steuerzahler die Außenglocke betätigt (es vergehen aber ganze Tage, ohne dass ein Steuerzahler Hilfe begehrt), ein weiches viereckiges Gesicht hat und den Eindruck macht, als müsse er sich entweder nie rasieren oder als benutze er Feuchtigkeitscreme.
    Ich sagte Julie am Telefon: »Einen noch,

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