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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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ganzen Welt anzutreffen ist, wenn eine Frau von zureichend berauschender Schönheit auftaucht. Meredith Rand gehört zu leider nur einer Handvoll Frauen im RPZ , die nach den übereinstimmenden Aussagen aller Männer, die in derlei Dingen eine eigene Meinung mitbringen, so strahlend schön sind, dass man eine Sonnenbrille braucht. Beth Rath ist auch nicht gerade ein graues Mäuschen, aber Meredith Rand spielt denn doch in einer anderen Liga. Sie hat unergründliche grüne Augen, klassisch proportionierte Wangenknochen, einen porenfreien Alabasterteint, an dem noch kaum ein Milchzahn der Zeit genagt hat, und Sturzbäche von lockigen dunkelblonden Haaren, und wenn sie diese offen trägt, sodass sie Antlitz und Schultern rahmen, bekommen laut Sabusawa selbst schwule oder asexuelle Männer nervöse Zuckungen. »Sie ist ein veritables Pfaffenstück« lautet der nicht immer unausgesprochene Konsens. Ihr Auftauchen in jedem x-beliebigen sozialen Umfeld des Service löst besonders bei Männern mit Händen zu greifende Veränderungen aus. Das Spezifische dieser Veränderungen dürfte jedermann vertraut genug sein und muss hier nicht ausdifferenziert werden. Die Andeutung mag genügen, dass Meredith Rand die Männer im Block befangen macht. Sie werden also entweder nervös und schweigen beklommen, als beteiligten sie sich an einem Spiel, bei dem der Einsatz plötzlich in schwindelerregende Höhen gestiegen ist, oder aber sie werden redseliger, beherrschen plötzlich das Gespräch, reißen jede Menge Witze und treten ganz allgemein bewusst unbefangen auf, während keinerlei Vorsatz oder Befangenheit zu spüren gewesen ist, bevor Meredith Rand eingetroffen ist, sich einen Stuhl herangezogen und zur Gruppe gesellt hat. Prüferinnen reagieren auf diese Veränderungen ihrerseits auf verschiedene Weise, manche schwinden und schrumpfen sichtlich (Enid Welch etwa oder Rachel Robbie Towne), andere verfolgen Meredith Rands Wirkung auf Männer mit einer Art finsterer Belustigung, wieder andere kneifen die Augen zusammen, stöhnen feindselig oder brechen sogar ostentativ auf (s. o. Harriet Candelaria). Bei der zweiten Runde angelangt, produzieren sich männliche Prüfer manchmal vor Meredith Rand, auch wenn sich die Performance im Kern darauf kapriziert, auf komplexe Weise vorzuführen, dass sie sich nicht vor Meredith Rand produzieren oder ihre Anwesenheit am Tisch sogar demonstrativ ignorieren. Besonders Bob McKenzie wird fast manisch und richtet praktisch jeden Kommentar und jedes Bonmot an den Menschen, der rechts oder links von Meredith Rand sitzt, aber nie an sie, und er sieht sie auch nie direkt an. Da links oder rechts von Meredith Rand meistens Beth Rath sitzt, ist diese von McKenzies Angewohnheit sichtlich genervt oder aber deprimiert, je nach Stimmung.
    In den letzten vier Wochen war anscheinend nur Shane Drinion ungerührt in Gegenwart der grauenhaft schönen Frau. Na gut, niemand weiß so recht, wovon sich Drinion überhaupt rühren lässt. Sandy Krody und Gil Haight, die beiden anderen Versetzungen aus La Junta, Kalifornien, beschreiben ihn als absolut soliden Fetten- und S-Corporation-Prüfer, aber als totalen Klotz in Sachen Persönlichkeit; er könnte ohne Weiteres der langweiligste Mensch der Jetztzeit sein. Drinion sitzt immer sehr ruhig und in sich gekehrt auf seinem Platz, eine Hand umschließt ein Glas Michelob (im Meibeyer’s das Bier vom Fass), und er verzieht keine Miene, bis jemand einen Witz erzählt, der sich an den ganzen Tisch richtet, denn dann lächelt Drinion kurz, kehrt aber gleich wieder zu seiner mimischen Ausdruckslosigkeit zurück. Aber nicht ausdruckslos auf glasige oder katatone Weise. Er betrachtet aufmerksam jeden Sprecher. Aufmerksam ist eigentlich nicht mal das richtige Wort. Es liegt keine spezielle Analyse in seinem Blick; er schenkt einfach jedem Sprecher seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Seine minimalen Körperbewegungen wirken knapp und präzis, ohne geziert oder affektiert zu sein. Er reagiert auf ausdrücklich an ihn gerichtete Fragen oder Kommentare, gehört außer bei diesen seltenen Gelegenheiten aber nicht zu den Menschen, die zum Gespräch beitragen. Er gehört aber auch nicht zu den Menschen, die in Gruppen schwinden und schrumpfen, bis sie kaum noch da sind. Man hat nicht das Gefühl, er wäre schüchtern oder verdruckst. Er ist da, aber auf ungewöhnliche Weise; er wird Teil der Umgebung des Tischs, wie die Luft oder die Raumbeleuchtung. »Zweiter Knöchel« Bob McKenzie und Chuck

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