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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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stellt Vermutungen an. »Angst und Erregung sind oft eng verwandt.«
    »Ten Eyck und Nugent machen das allerdings auch, wenn sich der ganze Tisch so ins Zeug legt«, sagt Rand.
    Drinion nickt, aber nur halb zustimmend, weil das nicht ganz das ist, worüber sie reden wollte. D. h. allerdings nicht, dass er Ungeduld erkennen ließe. »Mein Eindruck ist, dass er in einem Privatgespräch mit dir bei einem Zweiergespräch die Angst als echte Angst spüren würde. Er wäre sich dessen wahrscheinlich nicht voll bewusst. Dass er sich so fühlt. Er wäre sich nicht sicher, worauf sich die Angst überhaupt bezieht. Er wäre fahrig, verwirrt, aber auf eine Weise, die sich nicht als Erregung verstehen ließe. Wenn du ihm sagen würdest, du fändest ihn interessant, wüsste er nicht, was er sagen soll, glaube ich. Er wüsste nicht, welche Rolle er spielen solle. Und ich glaube, Bob würde sich sehr unbehaglich fühlen, weil er das nicht wüsste.«
    Drinion sieht sie kurz unverwandt an. Sein etwas fettiges Gesicht neigt im Neonlicht der Prüfabteilung zum Glänzen, aber weniger im natürlichen Licht durchs Fenster, dessen Schattierung andeutet, dass die Bewölkung zugenommen hat, aber das ist nur Meredith Rands Eindruck, der ihr nicht mal ganz bewusst wird.
    »Du siehst ja ganz schön genau hin«, sagt Meredith Rand.
    Drinion erwidert: »Ich weiß nicht, ob das wahr ist. Ich weiß nicht, ob ich über eine direkte Beobachtung oder ein Faktenmuster verfüge, die das rechtfertigen. Es ist eine Mutmaßung. Aber aus irgendeinem Grund vermute ich, dass er sogar in Tränen ausbrechen könnte.«
    Meredith Rand sieht plötzlich erfreut aus, was ihr Gesicht fast schon wortwörtlich aufstrahlen lässt. Mit den Fingern der einen Hand trommelt sie leicht auf den Tisch. »Ich glaube, du hast recht.«
    »Irgendwie ist es eine schreckliche Vorstellung.«
    »Ich glaube, er könnte vom Stuhl kippen, weinend weglaufen und mit den Händen hysterisch in der Luft herumfuchteln.«
    Drinion sagt: »So weit reichen meine Mutmaßungen nicht. Ich weiß, dass du ihn nicht magst. Ich weiß, dass du dich in seiner Gegenwart unbehaglich fühlst.«
    Drinion sieht in Richtung der Fenster vom Meibeyer’s, Meredith Rand in den hinteren Teil der Kneipe, zu dem schmalen Gang, den Dartsscheiben und einer dekorativen Anordnung von formellen oder Geschäftshüten, die mit den Krempen an ein lackiertes Brett geklebt worden sind. Meredith Rand beugt sich vor und tut so, als würde sie das Kinn auf die Knöchel einer Hand betten, aber man sieht sofort, dass das volle Gewicht ihres Kinns und Schädels in Wirklichkeit nicht auf den Knöcheln ruht; es ist mehr eine Pose als eine bequeme Körperhaltung. »Und wenn ich sage, ich finde dich interessant, wie sieht deine innere Reaktion dann aus?«
    »Dass das ein Kompliment ist. Eine angenehme Floskel, aber auch die Einladung zur Fortsetzung des Zweiergesprächs. Um dieses persönlicher oder aufschlussreicher zu machen.«
    Rand wedelt mit der Hand; eine Geste der Ungeduld oder der Zustimmung. »Aber wie fühlst du dich dabei, wie das bei den Evaluationen immer heißt?«
    »Na ja«, sagt Shane Drinion, »ich nehm mal an, bei einem solchen Ausdruck des Interesses fühlt man sich gut. Vorausgesetzt, der Sprecher strebt nicht einen Grad an Intimität an, der dem Angesprochenen unangenehm wäre.«
    »War es dir unangenehm?«
    Drinion überlegt wieder kurz, rührt sich aber nicht, und auch seine Miene ändert sich nicht. Vielleicht gibt es wieder diesen Anflug von Abwesenheit oder Rückzug. Rand denkt unwillkürlich an ein optisches Lesegerät, das sehr schnell und effizient einen Kartenstapel sichtet; ein atmosphärisches, schallloses Summen umgibt ihn. »Nein. Ich glaube, wenn deine Bemerkung sarkastisch gewesen wäre, dann wäre sie unangenehm gewesen – dann würde ich denken, du wärst sauer auf mich oder fändest mich unangenehm. Du hast aber nicht zu verstehen gegeben, dass du es sarkastisch meintest. Von daher weiß ich nicht genau, was du mit interessant gemeint hast, aber die Leute mögen es naturgemäß, wenn andere Leute sie interessant finden, also ist die Neugier, was genau du gemeint hast, nicht unangenehm. Wenn ich es richtig verstehe, soll die Bemerkung ›Weißt du was? Wenn du die Wahrheit wissen willst, irgendwie finde ich dich interessant‹ sogar gerade diese Neugier entfachen. Dann dreht sich das Gespräch darum, was genau die Sprecherin eigentlich meinte. Und der Angesprochene findet dann heraus, was genau die

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