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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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großen Gruppe ist. Wenn er ein Geräusch von sich geben würde, wäre es der lange Einzelton einer Stimmgabel oder einer EKG -Nulllinie und nichts Variables.
    »Weißt du, was?«, sagt Meredith Rand. »Wenn du die Wahrheit wissen willst, irgendwie finde ich dich interessant.«
    Drinion sieht sie an.
    »Ich nehm mal an, das bekommst du nicht oft zu hören«, sagt Meredith Rand und lächelt mokant.
    »Es ist ein Kompliment, dass du mich interessant findest.«
    »Ja, das ist es wohl«, sagt Rand und lächelt wieder. »Schon weil ich dir sagen kann, dass ich dich interessant finde, ohne dass du glaubst, ich will dich anmachen.«
    Drinion nickt, eine Hand um das Unterteil seines Bierglases gelegt. Er ist sehr ruhig, fällt Meredith Rand auf. Er hält die Hände still und rutscht nicht auf dem Stuhl herum. Er neigt zum Mundatmen; sein Mund steht leicht offen. Manche Leute sehen nicht besonders helle aus, wenn ihnen der Mund offen steht.
    »Stell dir z. B. mal vor«, sagt sie, »ich würde so was zu ›2K‹ Bob sagen; wie der wohl reagieren würde.«
    »Verstehe.«
    Shane Drinions Augen trüben sich ganz kurz ganz leicht, und Meredith merkt, dass er es buchstäblich macht, sich wirklich vorstellt, wie sie zu »Zweiter Knöchel« Bob McKenzie »Ich finde dich interessant« sagt. »Was glaubst du, wie der reagieren würde?«
    »Meinst du seine äußere, sichtbare Reaktion oder seine innere?«
    »Die sichtbare möcht ich mir lieber nicht vorstellen«, sagt Meredith Rand.
    Drinion nickt. Was sein Äußeres angeht, sieht er nicht besonders interessant aus, so viel stimmt. Sein Kopf ist kleiner als der Durchschnittskopf und kugelrund. Niemand hat ihn je mit Hut oder Mantel gesehen; er trägt grundsätzlich ein weißes Anzughemd und einen Pullunder. Sein Haaransatz geht zurück und lässt seine Stirn noch ausgeprägter erscheinen. In den Schläfenregionen sind Aknenarben zu sehen. Seine Gesichtszüge sind nicht sehr definiert oder strukturiert; seine Nasenlöcher haben verschiedene Größen oder Formen, sieht sie, was dem guten Aussehen eines Menschen meist abträglich ist. Sein Mund ist für das breite Gesicht etwas zu klein. Sein Haar hat diesen matten oder wächsernen dunkelblonden Ton, der manchmal mit einem rötlichen Teint und einer eher nicht so prickelnden Haut einhergeht. Er gehört zu der Sorte Mensch, die man sehr genau mustern muss, um sie überhaupt beschreiben zu können. Meredith Rand hat ihn erwartungsvoll angesehen.
    »Du willst von mir wissen, wie seine innere Reaktion meiner Meinung nach aussehen könnte?«, fragt Drinion. Wenigstens hat sein Gesicht außerhalb der Neonbeleuchtung ihres Blocks nicht ganz den abgeschürften Rotton, der Meredith Rand an den Leuten frühmorgens immer so zu schaffen macht.
    »Sagen wir, ich bin neugierig.«
    »Also, ich bin mir nicht sicher. Als ich es mir eben vorzustellen versucht habe, war mein erster Eindruck, dass er Angst hätte.«
    Meredith Rands Haltung verändert sich ganz leicht, aber sie wahrt eine vollkommen neutrale Miene. »Wieso denn das?«
    »Mein Eindruck ist, dass er Angst vor dir hat. Das ist nur mein Eindruck. Es ist schwer, das auf den Begriff zu bringen.« Er hält einen Augenblick inne. »Deine Attraktivität unterzieht McKenzie einer Art Test, und er hat Angst, dass er durchfällt. Das beunruhigt ihn. Wenn andere dabei sind und er eine Rolle spielen kann, gerät er in einen Adrenalinrausch und kann seine Angst vergessen. Nein, das stimmt nicht.« Drinion hält wieder kurz inne, wirkt aber nicht frustriert. »Vielleicht lässt es sich so sagen: Durch das Adrenalin der Rollenübernahme fühlt sich die Angst wie Erregung an. Vor diesem Hintergrund kann er das Gefühl haben, du würdest ihn erregen. Daher führt er sich so aufgeregt auf und schenkt dir so viel Aufmerksamkeit, aber er vergisst keine Sekunde, dass die anderen zuschauen«, schließt Drinion und trinkt einen Schluck Michelob; sein Arm vollführt eine fast genau rechtwinklige Geste, ohne dabei steif oder roboterhaft zu wirken. Seine Bewegungen haben etwas Präzises und Sparsames. Meredith Rand hat das auch schon bei der Arbeit gemerkt, wenn sie sich in einer kurzen Pause gestreckt und umgesehen hat und dann Drinion hat dasitzen sehen, wie er an seinem Tingle-Tisch Klammern entfernt und verschiedene Formulare verschiedenen Stapeln zuordnet. Seine Haltung ist gut, ohne steif oder starr zu wirken. Er macht den Eindruck eines Mannes, dessen Rücken und Nacken nie wehtun. Er scheint verwirrt, oder er

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