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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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heraus, und man konnte ihm kaum widerstehen. Die Abende konnten schwer werden, und sich zusammen mit suizidgefährdeten oder mit Downern vollgepumpten Leuten Maude anzuschauen war keine große Hilfe.«
    »...«
    »Kannst du dich noch an Maude erinnern?«
    »Nein.«
    »Meine Mom mochte die Serie unheimlich gern. Das war so ungefähr das Letzte, was ich dadrinnen sehen wollte. Wenn ihr Mann durchdrehte und sagte ›Maude, setz dich hin‹, dann machte sie Platz wie ein Hund, und das gab immer einen lauten Lacher aus der Konserve. Toller Feminismus. Oder Drei Engel für Charlie , was eine Feministin einfach auf die Barrikaden treiben musste.«
    »...«
    »Am Anfang redete er mit mir im rosa Zimmer, das war der Isolierraum, wo sie dich hinstecken, wenn du wegen Suizidgefahr von Gesetz wegen rund um die Uhr unter Beobachtung gestellt werden musst oder wenn du dich auf eine Weise aufführst, dass du ihrer Meinung nach eine Gefahr darstellst oder einen störenden Einfluss ausübst – dann wirst du da reingesteckt.«
    »Hieß das das rosa Zimmer, weil es in der Farbe gestrichen war?«, fragt Drinion.
    Meredith Rand lächelt kühl. »Baker-Miller-Pink, um genau zu sein, denn nach Experimenten, die zeigten, dass die Farbe Rosa beruhigend wirkt, fingen die Klapsmühlen überall an, ihre Isolierräume rosa zu streichen. Das weiß ich auch von ihm. Er erklärte mir die Farbe des Zimmers, in das ich gesteckt wurde; es hatte einen schrägen Fußboden und in der Mitte einen Abfluss; reinstes Mittelalter. Ich wurde nie wegen Suizidgefahr unter Beobachtung gestellt, falls du dich das fragst. Ich habe keine Ahnung, ob dich das jetzt irgendwie ausflippen lässt, so à la ›Oh-oh, ich hab’s mit ’ner Verrückten zu tun, die mit siebzehn im Zeller war‹.«
    »Das habe ich nicht gedacht.«
    »Mein Fehler war, ich hab einem Arzt erzählt, der nicht mal mein Arzt war, ich meine, nicht der, für den die Versicherung meines Vaters aufkam, sondern ein anderer Arzt, der immer als Vertretung kam und die Fälle von dem anderen übernahm, wenn der nicht selber kommen konnte, die vertraten sich alle ständig gegenseitig, und in fünf Tagen hast du mit drei verschiedenen Ärzten geredet, die dann immer das Dossier und die Fallprotokolle und alles auf dem Tisch ausbreiten mussten, um zu wissen, mit wem sie es überhaupt zu tun hatten – und dieser Arzt, der anscheinend nie zwinkerte, wollte von mir ständig nur wissen, ob ich als Kind missbraucht und vernachlässigt worden wäre, aber das war ich nie, und am Ende hab ich ihm gesagt, er wäre ein Vollidiot, und entweder er würde mir glauben, wenn ich ihm die Wahrheit sagte, oder er könnte mich mal am Arsch lecken. Und an dem Abend wurde ich ins rosa Zimmer gesteckt, das hatte er angeordnet, obwohl das Bockmist war. Nicht dass sie mich hingeschleift, reingestoßen und die Tür verrammelt hätten – alle waren dabei total nett. Aber weißt du, was das Komische ist, wenn du in der Psychiatrie landest? Du kriegst langsam das Gefühl, du kannst und darfst alles sagen, was dir durch den Kopf geht. Du glaubst, das ist okay und wird vielleicht sogar erwartet, dass du dich verrückt oder ungehemmt aufführst, was sich anfangs befreiend und gut anfühlt; du hast das Gefühl, keine Smileymasken mehr, keine Heuchelei, und das ist ein gutes Gefühl, nur kann es etwas Verführerisches und Gefährliches bekommen und den Zustand der Leute sogar verschlimmern – manche Hemmungen sind nämlich ganz gut und normal, hat er gesagt, und Teil des Syndroms, wegen dem manche Leute zwangseingewiesen werden müssen, ist, dass sie in die Klapse gekommen sind, als sie noch zu jung oder zu zerbrechlich waren, als ihr Selbstgefühl noch nicht stabil oder widerstandsfähig genug war, und die fangen dann an, sich aufzuführen, wie das ihrer Meinung nach von Psychiatriepatienten erwartet wird, und nach einer Weile sind sie dann wirklich so, und dann kommen sie aus dem System der Psychiatrie nicht mehr raus, dann sind sie darin gefangen.«
    »Und das hat er dir erklärt. Er hat dich davor gewarnt, den Psychiater ungehemmt zu beleidigen.«
    Der Ausdruck in ihren Augen hat sich geändert; sie stützt das Kinn in die Hand, was sie noch jünger macht. »Er hat mir sehr viel erklärt. Sehr viel. An dem Abend, an dem ich im rosa Zimmer war, haben wir bestimmt zwei Stunden lang geredet. Heute lachen wir darüber – er hat viel mehr geredet als ich, was ja eigentlich nicht so gedacht ist. Nach einer Weile waren wir da pünktlich

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