Der bleiche König: Roman (German Edition)
einem persönlicheren Kontext.«
»Als Metapher«, sagt Drinion.
»Verstehst du, was das mit Einsamkeit zu tun haben kann?«
Wieder ein ganz kurzer Augenblick innerer Sichtung. »Ich verstehe, dass das zu Misstrauen führen kann, denn Vertragsofferten sind manipulationsanfällig, verführen zu unehrlichen Kostenprognosen und Ähnlichem.«
»Du nimmst alles wortwörtlich, weißt du das?«
»...«
»Hier ist das Wortwörtliche«, sagt Meredith Rand. »Sagen wir, du bist hübsch, und das Hübschsein hat einiges, was du magst – für dich macht man gern eine Ausnahme, die Leute schenken dir Aufmerksamkeit und reden über dich, und wenn du irgendwo reinkommst, ändert sich die Atmosphäre im Raum, und das magst du.«
»Es ist eine Form von Macht«, sagt Drinion.
»Gleichzeitig hast du aber auch weniger Macht«, sagt Meredith Rand, »denn die Macht, die du hast, beschränkt sich ausschließlich auf Schönheit, und irgendwann erkennst du, dass die Schönheit eine Schublade ist, in der du feststeckst, ein Gefängnis, und dass niemand dich je unabhängig von deiner Schönheit sehen oder beurteilen wird.«
»...«
»Dabei fand ich mich nicht mal so übertrieben hübsch«, sagt Meredith Rand. »Schon gar nicht an der Highschool.« Sie dreht eine Zigarette zwischen den Fingern hin und her, steckt sie sich aber nicht an. »Aber ich wusste hundertpro, dass alle anderen mich schön fanden. Seit meinem zwölften Lebensjahr sagten die Leute ständig, ich wäre attraktiv und bildschön, und an der Highschool gehörte ich zu den Sahneschnitten, und wer die waren, das wussten alle, und sozial gesehen, wurde das irgendwie offiziell: Ich war schön, ich war begehrenswert, ich hatte die Macht. Verstehst du?«
»Ich glaube schon«, sagt Shane Drinion.
»Darauf bezog sich nämlich das intensiv – darüber redeten wir, über die Schönheit. Das war das erste Mal, dass ich mit irgendwem richtig darüber reden konnte. Erst recht mit einem Mann. Also mal abgesehen von Sätzen wie ›Du bist so schön, ich liebe dich‹, und dann versuchen sie, einem die Zunge ins Ohr zu stecken. Als hätte einem nur dieser eine Satz gefehlt, dass man schön ist, und schön würde man alle viere von sich strecken und sich nageln lassen.«
»...«
»Wenn man schön ist, kann es schwer werden, Männern Respekt entgegenzubringen«, sagt Meredith Rand.
»Das kann ich verstehen«, sagt Drinion.
»Weil du sie nie so zu sehen bekommst, wie sie vielleicht wirklich sind. Sobald du dabei bist, ändern sie sich; wenn sie entschieden haben, dass du schön bist, ändern sie sich. Das ist wie diese Kiste in der Physik: Wenn du das Experiment beobachtest, wird das Ergebnis vermasselt.«
»Dabei handelt es sich um ein Paradox«, sagt Drinion.
»Eine Weile lang magst du das. Du magst die Aufmerksamkeit. Selbst wenn es sie verändert, weißt du, dass du es bist, der sie verändert. Du bist attraktiv, du ziehst sie an.«
»Daher die Zunge im Ohr.«
»Nur stellt sich dann heraus, dass es bei vielen den umgekehrten Effekt hat. Sie gehen dir aus dem Weg. Sie kriegen Angst oder werden nervös – sie wollen etwas, und es ist ihnen peinlich, oder sie haben Angst, dass sie es wollen –, sie können nicht mit dir reden oder dich auch nur ansehen, oder aber sie fangen sofort an, eine Show wie ›Zweiter Knöchel‹ Bob abzuziehen, diese sexistische Flirtkiste, von der sie selber glauben, sie beeindrucken dich damit, aber in Wirklichkeit wollen sie die anderen Jungs beeindrucken und zeigen, dass sie keine Angst haben. Und du selber hast überhaupt nichts gemacht oder gesagt; du warst bloß da, und schon ändern sich alle. Mir nichts, dir nichts.«
»Hört sich anstrengend an«, sagt Drinion.
Meredith Rand zündet sich die Zigarette an, die sie gehalten hat. »Und die anderen Mädchen hassen dich; sie kennen dich nicht, reden nicht mit dir, aber sie beschließen, dich zu hassen, einfach nur weil sie sehen, wie die ganzen Jungen reagieren – als wärst du eine Bedrohung für sie; oder sie halten dich für eine hochnäsige Schlampe, ohne auch nur den Versuch zu machen, dich kennenzulernen.« Es ist definitiv ihr Stil, den Kopf abzuwenden, wenn sie Rauch ausstößt, und ihn dann wieder zurückzudrehen. Die meisten Menschen finden sie sehr direkt.
»Ich war kein Dooftittenblondchen«, sagt sie. »Ich war gut in Mathe. In der Zehnten hab ich den Algebrapreis gewonnen. Aber das kratzte natürlich keinen, dass ich klug war oder Mathe konnte. Sogar die männlichen Lehrer
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