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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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jeden Abend drin und haben –«
    »Ihr seid immer in den Isolierraum gegangen?«
    »Nein, da war ich nur den einen Abend, und mein regulärer Arzt, das muss ich ihm zugutehalten, der hat seiner Vertretung irgendein Disziplinarverfahren angehängt, weil er das angeordnet hatte; er sagte, das wäre kontraproduktiv.« Rand unterbricht sich und klopft sich mit den Fingern an die Wange. »Mist, jetzt hab ich den Faden verloren.«
    Drinion sieht kurz hoch. »›Nach einer Weile waren wir da pünktlich jeden Abend drin‹.«
    »Im Besprechungszimmer, nach den Visiten, wenn sich die Leute, die wegen irgendwas bei der Visite ausgeflippt sind, beruhigt hatten oder ihre Medis gekriegt hatten. Dann haben wir uns da reingesetzt und geredet, nur musste er zwischendurch immer wieder weg und kontrollieren, wo alle sind und dass keiner bei anderen im Zimmer ist, und dafür sorgen, dass die, die noch Tabletten nehmen müssen, zur Medikamentenausgabe gingen. In der Woche haben wir uns da jeden Abend reingesetzt, und er hat sich vorher immer am Wasserspender eine Coladose volllaufen lassen, hat nie einen Becher genommen, immer eine Coladose, und dann haben wir uns an den Tisch gesetzt, und er hat gesagt ›Nun denn, Meredith, möchtest du heute einen intensiven persönlichen Austausch, oder wollen wir einfach nur gemütlich plaudern?‹, und ich hab fast so getan, als würde ich auf einer Speisekarte wählen, und hab dann gesagt ›Hm, also ich glaube, heute hätte ich gern einen intensiven persönlichen Austausch, bitte schön.‹«
    »Kann ich dich was fragen?«
    »Grrr. Mach schon.«
    »Soll ich daraus schließen, dass sich intensiv auf dein Ritzverhalten und die Gründe dafür bezieht?«, fragt Drinion. Seine Hände liegen jetzt verschränkt auf dem Tisch, was die meisten Leute mit krummem Rücken dasitzen lässt, Drinion aber nicht – seine Haltung bleibt gleich.
    »Von wegen. Dafür war er zu intelligent. Wir haben selten über das Ritzen gesprochen. Das hätte wenig gebracht. Das war kein Thema, das man direkt aufs Tapet bringen konnte. Was er – in der Regel hat er mir mehr so Sachen über mich erklärt.«
    Ein Finger von Drinions verschränkten Händen bewegt sich leicht. »Er hat dich nichts gefragt?«
    »Von wegen.«
    »Hat dich das nicht geärgert? Diese Dreistigkeit, dir Dinge über dich zu erklären?«
    »Der große Unterschied war einfach, dass er recht hatte. Praktisch alles, was er sagte, hat gestimmt.«
    »Von dem, was er dir über dich erklärt hat.«
    »Pass auf, das hat er hauptsächlich am Anfang gemacht, als er sich erst mal Glaubwürdigkeit erarbeiten musste. Das hat er mir dann später erklärt – er wusste, dass ich nicht lange im Zeller bleiben würde, er wusste, dass ich mit jemandem reden musste, und er musste mir sehr schnell zu verstehen geben, dass er mich verstand und wusste, wie ich tickte, mich nicht nur als Fall oder Problem behandelte, dessen Lösung ihn auf der Karriereleiter weiterbrachte, wie das für mich bei den Ärzten und Betreuern der Fall war, was er wusste, auch wenn er fand, dass es keine Rolle spielte, ob ich sie damit richtig einschätzte oder nicht, der springende Punkt wäre bloß, dass ich das glaubte; es war Teil meiner Defensivhaltung. Er sagte, ich gehörte zu den Leuten mit der stärksten Defensivhaltung, die er da je gesehen hätte. Im Zeller. Abgesehen von den echten Psychotikern, meine ich, die ja völlig undurchdringlich sind, aber die wurden auch fast immer gleich verlegt; mit echten Psychotikern hatte er kaum je ein richtiges Zwiegespräch gehabt. Das Psychotische besteht einfach aus so starken defensiven Strukturen und Überzeugungen, dass der Betreffende da nicht mehr rauskommt, sie werden für die richtige Welt gehalten, und dann ist es meistens zu spät, weil sich die Gehirnstruktur verändert hat. Dann kann der Betreffende nur noch auf Medikamente hoffen und darauf, dass er immer viel Rosa um sich hat.«
    »Er verstand dich als Menschen, willst du damit sagen.«
    »Was er geschafft hat, und zwar gleich im rosa Zimmer, als ich da noch auf der Koje saß und rumjammerte, mein Gott, da ist ein Abfluss im Boden, da hat er mir zwei verschiedene Sachen über mich auf den Kopf zugesagt, die mir bewusst waren, die sonst aber niemand wusste. Niemand. Im Ernst«, sagt Meredith Rand. »Und das konnte ich einfach nicht fassen. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.«
    »...«
    »Jetzt fragst du dich, was das für Sachen waren«, sagt sie.
    Drinion legt wieder ganz leicht den

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