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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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was wirklich in dir vorgeht, Wirkung auf ein Mädchen hat, das glaubt, sein größtes Problem wäre die Unmöglichkeit, dass jemand über die Schönheit hinweg sein Inneres sehen kann. Möchtest du wissen, wie er heißt?«
    Drinion blinzelt einmal. Er blinzelt nicht sehr oft. »Ja.«
    »Edward. ›Ed Rand, nicht dipl. Stud. med.‹, sagt er immer. Du verstehst also, warum ich bestens präpariert war, mich in ihn zu verlieben.«
    »Ich glaube ja.«
    »Dann muss ich das ja nicht ausbuchstabieren«, sagt Meredith Rand. »Wenn er ein Perversling gewesen wäre, so ein Widerling, der die Leute bewusst manipuliert, wäre das die perfekte Masche gewesen, um hübsche junge Frauen ins Bett zu kriegen. Jobbt an einem Ort, wo man hinkommt, wenn man abkackt, einsam und voll neben der Spur ist, und ist nur von Mädchen umgeben, deren Grundproblem wahrscheinlich immer ihr Aussehen ist. Wenn er clever wäre, bräuchte er bei diesen Mädchen also nur, und er hatte ja Hunderte von verkorksten Mädchen gesehen, die da durchgeschleust wurden, weil sie sich zu Tode hungerten, in Einkaufszentren Klamotten klauten, fresssüchtig waren, sich ritzten, Drogenprobleme hatten, mit älteren Schwarzen durchbrannten und von den Eltern wieder und wieder zurückgeschleift wurden, egal was, du verstehst schon, die im Grunde aber alle dasselbe Problem hatten, jede Einzelne, die da landete, egal was der offizielle Grund war, in Wirklichkeit hatten sie das Gefühl, sie würden nicht gesehen und verstanden, und deshalb waren sie einsam, wegen dieser ständigen Schmerzen ritzten sie sich, fraßen, hungerten oder haben der gesamten Basketballmanschaft beim Müllcontainer hinter der Mensa einen geblasen, was eine mir bekannte Cheerleaderin tatsächlich das ganze erste Jahr an der Highschool gemacht hat, allerdings gehörte die gar nicht richtig zu den Sahneschnitten, weil sie als Saftpresse verrufen war; viele von den Sahneschnitten haben sie einfach gehasst.« Rand wirft Drinion einen kurzen direkten Blick zu, um zu sehen, ob er eine sichtbare Reaktion auf das Wort Saftpresse zeigt, aber er lässt sich nichts anmerken. »Und es war ja null Problem, sie ins Besprechungszimmer zu locken und ihnen Sachen über sie zu sagen, die sie total schockieren und verblüffen, weil sie noch nie jemandem davon erzählt hatten, aber trotzdem war es null Problem, das zu erkennen und den Finger draufzulegen, weil es im Kern immer dasselbe war.«
    Drinion fragt: »Hast du ihm das in den als intensiv deklarierten Therapiesitzungen gesagt?«
    Rand drückt ihre Benson & Hedges aus und schüttelt den Kopf. »Das waren keine Therapiesitzungen. Er hasste den Ausdruck, die ganze Begrifflichkeit. Das waren einfach Zweiergespräche, einfach Unterhaltungen.« Wieder drückt sie die Kippe mit derselben Anzahl von stechenden und reibenden Bewegungen aus, aber mit weniger Nachdruck als zuvor, als sie ungeduldig wirkte oder auf Shane Drinion sauer war. Sie sagt: »Er sagte, er hätte den Eindruck, das wäre alles, was ich bräuchte, ich müsste einfach ohne Bockmist mit jemandem reden, was die Ärzte vom Zeller Center nie kapiert haben oder nicht kapieren konnten, weil dann die ganze Struktur kollabiert wäre, dass diese Ärzte vier Millionen Jahre lang Medizin studiert und ihre Assistenzzeit im Krankenhaus verbracht haben und dass die Krankenversicherung Unmengen von Geld für Diagnosen, Beschäftigungstherapien und Therapieprotokolle bezahlt, das ist alles eine institutionelle Struktur, und wenn die Dinge erst institutionalisiert sind, wird quasi alles ein künstlicher Organismus, der überleben und ganz wie ein Mensch seine eigenen Bedürfnisse befriedigen will, nur ist es kein Mensch, es ist das Gegenteil von einem Menschen, denn innen ist er hohl bis auf den Willen, zu überleben und als Institution zu wachsen – er sagte, kuck dir bloß das Christentum und die ganze christliche Kirche an.«
    »Meine Frage zielte eher darauf ab, ob du ihm von deinem potenziellen Argwohn erzählt hast, der Möglichkeit, dass er dich in Wirklichkeit nicht verstand und Anteil an dir nahm, sondern ein Widerling war.«
    Im Lauf des Gesprächs mustert Meredith Rand manchmal kritisch ihre Fingernägel, die mandelförmig, weder zu lang noch zu kurz und glänzend rot lackiert sind. Shane Drinion betrachtet ihre Hände in der Regel nur dann, wenn auch Rand das tut.
    »Das musste ich gar nicht«, sagt Rand. »Weil er das selbst zur Sprache brachte. Edward. Er sagte, angesichts meines Problems wäre es nur eine

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