Der bleiche König: Roman (German Edition)
und das ist dann ein bisschen wie bei einer Herzinsuffizienz; dann kriegst du Sauerstoff und Hochleistungsentzündungshemmer.«
»Und du machtest dir Sorgen«, sagt Drinion.
»Damals wusste ich das alles doch noch gar nicht, ich wusste nur, dass er nicht da war, und dann war Wochenende, sodass es ewig dauerte, bis er zurückkam, und als er dann zurückkam, war ich anfangs so stinkig, dass ich im Flur nicht mal mit ihm geredet habe.«
»Weil er dich hängen gelassen hatte.«
»Na ja«, sagt Rand, »ich hab’s persönlich genommen, dass er mich da reingezogen und diese ganzen massivtherapeutischen Sachen vom Stapel gelassen hat und dann spurlos verschwunden ist, als wäre das alles bloß ein sadistisches Spielchen, und als er in der Woche danach zurückkam und mich im Fernsehzimmer ansprach, hab ich so getan, als wäre ich voll in die Fernsehserie vertieft, und ihn total ignoriert.«
»Du wusstest nicht, dass er im Krankenhaus gewesen war«, sagt Drinion.
»Als ich dann erfuhr, wie krank er war, hatte ich ein total schlechtes Gewissen; ich hatte das Gefühl, ich hätte mich wie ein verwöhntes Kind aufgeführt oder wie ein Mädchen, das beim Schulball einen Korb bekommen hat. Aber ich hab auch gemerkt, dass er mir etwas bedeutet, ich hatte das Gefühl, ich bräuchte ihn fast schon, und abgesehen von meinem Dad und ein paar Freundinnen, als ich klein war, fiel mir niemand ein, der mir seit langer Zeit wirklich etwas bedeutet oder den ich gebraucht hätte. Wegen der Schönheitskiste.«
Meredith Rand sagt: »Hast du schon mal erst gemerkt, dass dir jemand etwas bedeutet, als dieser Jemand nicht da war und du durchgedreht bist à la ›O mein Gott, er ist nicht da, was soll ich jetzt bloß machen‹?«
»Eigentlich nicht.«
»Na egal, mir machte es jedenfalls Eindruck. Was dann rauskam, als ich schließlich bereit war, doch wieder mit ihm ins Besprechungszimmer zu kommen, war, dass ich vielleicht das Gefühl hatte, ich hätte ihn irgendwie stinkig gemacht und vertrieben, als ich ihn gefragt hatte, ob er diese Zweiergespräche mit mir auch dann abhalten würde, wenn ich eine schielende Plauzilla gewesen wäre. Dass ich ihn stinkig gemacht hätte oder dass er zu dem Schluss gekommen wäre, ich wäre so zynisch und misstrauisch, Männer würden sich für mich nur interessieren, weil ich hübsch wäre, dass ihm schließlich aufgegangen war, dass er mich nicht zu dem Glauben rumkriegen könnte, er würde sich wirklich um mich sorgen, sodass er mich dann nageln könnte oder auch nur sein Ego aufpeppen, dass es da dieses sogenannte wunderschöne Mädchen gab, das an ihn dachte und sich um ihn sorgte und seinen Namen immer wieder in großer Schönschrift in ihr Tagebuch malte, oder worauf er halt grade abfuhr. Ich glaube, dieses ganze hässliche Zeug kam raus, weil ich sauer war, dass er einfach so verschwunden war, mich einfach abgesägt und versetzt hatte. Aber er ging echt prima damit um; er sagte, angesichts meines Hauptproblems verstünde er mein Gefühl, und ich glaube, danach ließ er mich eine Weile in dem Glauben, er wäre in diesen Tagen nicht zur Arbeit gekommen, damit ich mein Problem allmählich selber erkennen, analysieren und richtig einschätzen könnte.«
»Hast du irgendeine Erklärung verlangt?«, fragt Drinion.
»Bestimmt fünf Mal. Das Seltsame ist, heute, so lange danach, bin ich nicht mehr ganz sicher, ob er irgendwann selber damit rausgerückt ist oder ob ich selber draufgekommen bin«, sagt Meredith Rand und muss jetzt leicht hochsehen, wenn sie Drinions Blick erwidern will, was sie angesichts ihrer beider Größe und ihrer Plätze am Tisch eigentlich seltsam finden müsste, »auf das sogenannte Hauptproblem«. Drinion sieht sie an und runzelt leicht die Stirn. Sie lässt die Finger einer Hand auf prozedurale oder zusammenfassende Weise kreisen: »Frau, die als sehr schön gilt, will für mehr als ihre Schönheit gemocht werden und ist sauer, wenn sie nicht aus Gründen gemocht und umsorgt wird, die nichts mit ihrer Schönheit zu tun haben. Tatsächlich wird aber für sie alles um sie herum durch ihre Schönheit gefiltert – sie ist so sauer und misstrauisch, dass sie, auch wenn ihr echte, wahre, hintergedankenfreie Anteilnahme angeboten wird, diese nicht als solche akzeptieren kann, denn tief in ihrem Inneren glaubt sie , die Frau selbst , nicht, dass die Anteilnahme von egal wem andere Motive als Schönheit oder Sex-Appeal haben könnte. Bis auf ihre Eltern«, korrigiert sie sich selbst,
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