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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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nicht ins Schwimmen zu kommen oder wegzudämmern, wenn man gar nicht mehr versteht, worauf zum Geier sie überhaupt hinauswill. Diverse unverheiratete Dienststellenprüfer haben für sich entschieden, dass sie einfach verrückt ist, aus der Ferne echt was fürs Auge, aber definitiv eine Großer-Bogen-Schnalle, besonders in Pausen, wo jeder Augenblick der Zerstreuung kostbar ist, und diese Braut kann schlimmer sein als die Arbeit. Sie sagt: »Zu dem Zeitpunkt balzte oder baggerte mich im Zeller schon jeder einzelne Typ an, vom Tagespfleger bis zu den Männern im ersten Stock, wenn wir zur Beschäftigungstherapie runterkamen, und ich kann dir sagen, das war vielleicht ein Klotz am Bein. Wobei er mich dann fragte, wenn dich das dermaßen runterzieht, warum tuschst du dir noch die Wimpern, obwohl du in der Psychiatrie bist? Und damit stand’s ja tatsächlich eins zu null für ihn.«
    »Stimmt.«
    Sie reibt sich mit einem Handballen das Auge, was entweder Müdigkeit ausdrücken soll oder den Versuch, bei der Geschichte Kurs zu halten, obwohl sich Drinion weder Langeweile noch Ungeduld anmerken lässt. »Und zu der Zeit, sagte er, bekam er von den Ärzten zu hören, ich hätte ihn, diesen einen speziellen Pfleger, zur sogenannten Bezugsperson auserkoren – sie sahen natürlich auch, dass alle baggerten und Zucker husteten –, diese ganzen intensiven Zweiergespräche wirkten allmählich abhängig oder ungesund, und mit mir sprachen sie gar nicht darüber, sondern stellten ihm nur alle möglichen Fragen und setzten ihn faktisch massiv unter Druck, sodass wir von da an warteten, bis alle vom Fernsehen völlig gefesselt waren, und dann gingen wir zum Reden ins Treppenhaus direkt neben der Station, wo wir für uns waren, und er legte sich meistens auf den Betonabsatz, die Füße auf der zweiten oder dritten Stufe darüber, und inzwischen hatte er auch zugegeben, dass das nicht wegen seinem Rücken war, sondern weil es den Blutkreislauf unterstützte. An den ersten paar Tagen der zweiten Woche verbrachten wir ganz schön viel Zeit im Treppenhaus und sprachen über meine innere Einstellung, dieses Misstrauen, was er wirklich von mir wollte und warum er sich mit mir abgab, versuchten das auszudiskutieren, und er erzählte mir von sich und wie er sich an der Uni die Kardiomyopathie geholt hatte, aber er sagte auch immer okay, er würde darüber reden, solange ich wollte, aber es wäre ein Teufelskreis, denn ich könnte in allem, was er sagte, auch Misstrauen und Hintergedanken seinerseits vermuten, oder ich könnte finden, das alles wäre ehrlich und offen, aber seiner Ansicht nach wäre es weder intensiv noch wirkungsvoll, wir würden uns eher innerhalb des Problems im Kreis drehen, statt es wirklich von außen zu analysieren, und das sagte er, weil er der Tod auf Latschen war. Und weil er institutionell kein richtiger Teil der Klapsmühle war, hatte er das Gefühl, er wäre vielleicht der einzige Mensch, der mir die Wahrheit über mein Problem ins Gesicht sagen konnte, was ich seiner Meinung nach brauchte, um erwachsen zu werden.«
    Meredith Rand verstummt und sieht Shane Drinion an, weil sie seine Frage erwartet, was genau diese Diagnose bedeuten solle; aber er fragt nicht. Er scheint sich mit etwas abgefunden zu haben, oder er begnügt sich damit, dass Meredith Rand ihre Geschichte eben nach eigenem Gutdünken konstruiert; drittens könnte er den Schluss gezogen haben, dass der Versuch, ihrer Seite des Zweiergesprächs eine gewisse Ordnung aufzuerlegen, die gegenteilige Wirkung hätte.
    Sie sagt: »Und natürlich hat mich dieses ›Erwachsenwerden‹ wieder stinkig gemacht, und ich hab ihm gesagt, das kann er sich sonst wohin stecken, aber das hab ich nicht ernst gemeint, denn da hatte er schon gesagt, er hätte läuten hören, dass ich bald entlassen würde, die behandelnden Ärzte und Therapeuten hätten sich darüber unterhalten, nur mir selbst gegenüber hatte das natürlich keiner auch nur mit einer Silbe erwähnt, und dass sich meine Mutter um eine ambulante Gesprächstherapie für mich bemüht und versucht hätte, mich in der Privatpraxis von einem der Ärzte anzumelden, die aber sehr voll wäre, und außerdem würde das von der Versicherung meines Vaters nur zum Teil übernommen, von daher war die ganze Angelegenheit ein bürokratischer Albtraum und würde einige Zeit brauchen, aber so langsam kam ich jedenfalls dahinter, dass das hier nicht für immer war und dass ich ihn vielleicht schon in der nächsten oder

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