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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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des ersten Stocks bildet – d. h., die Garage ist strukturell ein tragender Teil des Hauses, und das ist das Kennzeichen einer Raised Ranch . Als er das Haus betrat, fläzten sich zwei von uns auf der Couch, hatten die dreckigen Füße auf sein heiß geliebtes Beistelltischchen gelegt, der Teppich war mit Bierdosen und Taco-Bell-Verpackungen übersät – die Dosen waren das Bier meines Vaters, das er zweimal im Jahr en gros kaufte und im Hauswirtschaftsraum einlagerte und von dem er wöchentlich höchstens zwei Dosen trank –, wir saßen völlig im Kleister da und verfolgten auf WGN The Searchers , und einer hörte Deep Purple mit den speziellen Stereokopfhörern meines Vaters, mit denen er immer klassische Musik hörte, und auf der speziellen Eichen- oder Ahornfläche des Beistelltischchens zeichneten sich Unmengen von Kondenswasserringen der Bierdosen ab, weil wir die Heizung weit höher aufgedreht hatten, als er aus Energiespar- und Kostengründen normalerweise erlaubte, und der andere Typ neben mir auf der Couch beugte sich gerade vor und inhalierte einen riesigen Bong-Zug – der Typ war berühmt dafür, dass er riesige Züge inhalieren konnte. Und das ganze Wohnzimmer stank. Und dann höre ich in der Erinnerung plötzlich das unverkennbare Geräusch seiner Schritte auf der breiten Holzveranda und seinen Schlüssel in der Haustür, und nur eine Sekunde später tritt mein Vater in einem eiskalten klaren Luftzug mit Hut und Reisetasche ein – ich war gelähmt vor Schreck wie jedes voll erwischte Kind, saß wie gelähmt da und konnte nichts machen, sah nur in überscharfer und klarer Zeitlupe, wie er hereinkam – wie er oben an der Treppe zum Wohnzimmer herab stand, mit einer charakteristischen Bewegung von Kopf und Hand den Hut abnahm und einfach nur dastand und den Anblick von uns dreien auf sich wirken ließ – er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er diese alten Highschoolfreunde nicht sehr mochte, mit denen ich auch unterwegs gewesen war, als der Tankverschluss des Wagens meiner Mutter gestohlen und das Benzin abgesaugt worden war, und keiner von uns hatte mehr Geld, als wir zum Auto zurückgefunden hatten, und ich hatte meinen Vater anrufen müssen, der nach der Arbeit mit dem Zug hatte kommen müssen, um zu tanken, damit ich La Voiture dann zu Joyce und meiner Mom zurückbringen konnte, denen er gemeinsam gehörte und die ihn für ihre Buchladenzwecke brauchten – wir drei fläzten uns da also total bedröhnt und gelähmt auf der Couch, einer der Typen trug ein schäbiges altes T-Shirt, auf dessen Brust tatsächlich FUCK YOU stand, der andere hustete vor Schreck seinen Mammutzug aus, sodass Dopeschwaden durchs Wohnzimmer auf meinen Vater zuwaberten – kurz, meine Erinnerung ist die an eine Szene, die die übelsten Stereotypen des Generationskonflikts und die elterliche Ablehnung ihrer missratenen Kaputtnikkinder auf übelste Weise bestätigte, und mein Vater stellte nur langsam seine Reisetasche ab, stand ausdruckslos da und sagte nach meinem Eindruck lange Zeit gar nichts, dann hob er langsam einen Arm, sah auf und sagte »Schaut auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzagt!« , und dann griff er wieder nach seiner Reisetasche, ging ohne ein weiteres Wort die andere Treppe hoch, verschwand im ehemaligen Elternschlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Er knallte sie nicht zu, aber man hörte, mit welcher Entschiedenheit sie geschlossen wurde. Die bis dahin fürchterlich scharfe und detaillierte Erinnerung friert an diesem Punkt seltsamerweise einfach ein, wie ein Video am Ende der Kassette, und ich weiß nicht mehr, was danach passierte, ob ich die Typen an die Luft gesetzt, hastig aufgeräumt und den Thermostat wieder auf zwanzig Grad runtergedreht habe, aber ich erinnere mich noch, dass ich mich wie der letzte Dreck gefühlt habe, weniger, weil ich »erwischt« worden war und in der Klemme steckte, als weil ich mir kindisch vorkam, wie ein verwöhntes kleines egoistisches Kind, und mir vorstellte, wie das für ihn ausgesehen haben musste, als er mich inmitten des Mülls in seinem Haus sitzen sah, bedröhnt, die dreckigen Füße auf dem befleckten Beistelltischchen, das meine Mutter und er sich von ihrem Ersparten in einem Antiquitätengeschäft in Rockford gekauft hatten, als sie noch jung waren und nicht viel Geld hatten, das ihm etwas bedeutete und das er immer mit Zitronenöl polierte, und er sagte immer, ich solle bitte nicht die Füße darauf ablegen und bitte Bierfilze benutzen –

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