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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Schimmelpfennig zusammen mit Direktor Suzuki das Podium betrat, applaudierten die Leute von neuem. Die Scheinwerfer flammten auf, und man hörte das leise Surren der Fernsehkameras. Die Fotografen schossen ihre Blitzlichter ab, und die Reporter von den Zeitungen fingen an, Fragen zu stellen. Manche von ihnen sprachen auch deutsch. Aber Reklamechef Matsumoto stellte sich mit seiner silbergrauen Weste wie eine Mauer vor Peter Schimmelpfennig und hob immer wieder beide Arme in die Luft. „Später, meine Herren“, versicherte er.
    Anschließend sagte der Direktor des Warenhauses ein paar freundliche Worte über den „blinden Passagier“, und dann begrüßte er alle Besucher. Dabei verneigte er sich immer wieder. Peter Schimmelpfennig verneigte sich ebenfalls and blickte vergnügt in alle die freundlichen gelben Gesichter mit den schmalen Augen.
    Und dann begann die Arbeit.
    Peter Schimmelpfennig setzte sich hinter den Tisch wie hinter eine Schulbank. Links und rechts von ihm türmten sich stapelweise Postkarten mit dem Foto, das am Vormittag gemacht worden war. Es zeigte Peter Schimmelpfennig vor dem an die Wand gemalten Flugzeug auf der Gangway. Der Punkt in der japanischen Fahne war so rot wie ein Feuerwehrauto, und seine Haare wehten wie bei Windstärke zwölf an der Nordsee.
    Es standen natürlich meistens Mädchen und Jungen in der langen Schlange und warteten. Aber es waren auch viele ältere Leute dabei. Ein paar Frauen im Kimono hatten sich ihre kleinen Kinder auf den Rücken gebunden.
    Jedesmal, wenn Peter Schimmelpfennig seinen Namen geschrieben hatte, blickte er auf, sagte: „Bitte schön“ und überreichte sein Bild wie eine Freikarte zum Fußballspiel. Die Japaner verneigten sich meistens, lächelten dabei und sagten: „Arigatoo“.
    „Das heißt ,danke schön’ “, erklärte Herr Nagase.
    „Und was heißt ,bitte schön’?“ fragte Peter Schimmelpfennig.
    „Doozo“, antwortete der junge Mann mit der dicken Hornbrille.
    „Doozo“, sagte Peter Schimmelpfennig von diesem Augenblick an, wenn er seine Postkarte überreichte. Und die Leute lächelten jetzt noch freundlicher, wenn sie sich verneigten und weitergingen.
    Zwischendurch kam plötzlich ein älterer Japaner, der schon weiße Haare hatte, mit einem Maßband. Er hatte einen Zettel bei sich und ein Stück Bleistift zwischen den Zähnen. Ohne ein Wort zu sagen, fing er an, bei Peter Schimmelpfennig die Ärmellänge zu messen, die Schulterbreite und den Brustumfang.
    „Laß dich dadurch nicht stören“, meinte Herr Nagase. und dann fragte er noch nach der Hemdgröße und der Nummer seiner Strümpfe.
    „Da müssen Sie leider meine Großmutter in Hamburg anrufen“, grinste Peter Schimmelpfennig.
    Aber der Herr mit dem Maßband verbeugte sich bereits und verschwand wieder. „Er wüßte Bescheid, soll ich sagen“, lächelte Herr Nagase, „und er vermutet, daß Knabengröße drei für dich richtig ist.“
    Etwa in diesem Augenblick sagte eine Stimme: „Herzlichen Glückwunsch.“
    Als Peter Schimmelpfennig aufblickte, stand ein schwarzhaariger Junge auf der anderen Seite des Tisches und grinste ihn an. Er trug eine schwarze Schüleruniform mit silbernen Knöpfen und hatte seine Mütze unter dem Arm.
    „Sprichst du Deutsch?“ fragte Peter Schimmelpfennig.
    „Mittelprächtig“, meinte der junge Japaner, „ich gehe seit sieben Jahren auf die deutsche Schule. Aber ich will hier den Betrieb nicht aufhalten.“ Er guckte dabei über seine Schulter zu den Leuten, die dicht hinter ihm standen und neugierig nach vorne drängten.
    „Wenn du im Augenblick nichts Besseres zu tun hast“, schlug Peter Schimmelpfennig vor, „könntest du mir Gesellschaft leisten. Es ist langweilig, andauernd nur seinen Namen zu schreiben.“
    Der aufmerksame Herr Nagase zauberte einen Stuhl herbei, und der japanische Junge setzte sich. „Ich heiße Hiroshi mit Vornamen, und meine Familie heißt Uchida. Vielleicht kann ich dir behilflich sein?“ Er schob einen Stapel Postkarten zur Seite und legte die erste davon auf den Tisch. LJnd sobald Peter Schimmelpfennig sein Autogramm quer über das Farbfoto geschrieben hatte, reichte er ihm die nächste Karte.
    „Arigatoo“, sagte Peter Schimmelpfennig.
    „Doozo“, grinste der schwarzhaarige Hiroshi.
    Direktor Suzuki hatte sich inzwischen in sein fünfundzwanzigstes Stockwerk zurückgezogen, während Reklamechef Mat-sumoto immer wieder an den Besuchern entlangspazierte, die einer hinter dem anderen standen und

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