Der blinde Passagier
Zigarette an. Schließlich ließ er sich in einen der breiten Sessel fallen.
Peter Schimmelpfennig packte nebenan seine Segeltuchtasche aus und wanderte zwischendurch zum Bad, um sich Wasser in die Wanne laufen zu lassen.
Drüben guckte der junge Brasilianer in den Rauch seiner Zigarette und horchte ins andere Zimmer hinüber. Aber von dort war nur zu hören, wie das Wasser in die Badewanne floß.
Peter Schimmelpfennig hatte sich inzwischen den Koffer aus Trinidad vorgenommen und packte die bunten Hemden in den Wandschrank.
„Du hältst mich natürlich für einen Schuft“, sagte plötzlich Herr Sola mitten in die Stille hinein. „Ich habe mit deinem Vertrauen Fußball gespielt, ich habe dich angelogen und enttäuscht.“ Der junge Brasilianer stand auf und spazierte die vier oder fünf Schritte zu der Verbindungstür hinüber. „Nur weil ich deine Ansichtskarten und Briefe nicht abgeschickt habe.“
Peter Schimmelpfennig hängte gerade seinen blauen Anzug über einen Kleiderbügel.
„Wenn dieser schlitzäugige Zollbeamte meinen Koffer nicht aufgemacht hätte, wäre zwischen uns alles noch in bester Ordnung“, stellte Rodrigo fest. „Und ich habe diese Karten und Briefe nicht abschicken können. Vielleicht wären sie nämlich doch schneller angekommen, und irgend jemand hätte mit Sicherheit in die Welt hinaustrompetet, wo du dich herumtreibst. Dann wäre alles umsonst gewesen, und unsere Japaner könnten dich heute nicht aus der Luft zaubern wie ein Kaninchen, das bisher in einem Zylinder verschwunden war.“
„Das stimmt“, gab Peter Schimmelpfennig zu.
„Was wirfst du mir dann überhaupt vor?“
„Daß du mir das alles nicht früher gesagt hast“, meinte Peter Schimmelpfennig. „Dann hätten wir zum Beispiel verhindert, daß sie in Hamburg ein paar Tage lang wirklich nicht gewußt haben, was mit mir los ist. Meine Mutter hat bestimmt kein Auge zugemacht.“
„Daran hätte ich denken sollen“, gab Rodrigo zu. Er war inzwischen zum Fenster hinübergegangen und drehte sich jetzt um. „Wie geht es also weiter mit uns?“
„Das ist ziemlich einfach.“ Peter Schimmelpfennig setzte sich auf sein Bett und zog die Schuhe aus. „Bisher habe ich geglaubt, daß ich mich auf dich verlassen kann. Deshalb habe ich auch immer artig befolgt, was du mir gesagt hast. Aber jetzt glaube ich das nicht mehr und...“ Peter Schimmelpfennig zog die Beine an und grinste vergnügt.
„Du fühlst dich sozusagen nicht mehr verpflichtet?“ fragte Herr Rodrigo Sola.
„Genauso ist es“, lächelte Peter Schimmelpfennig. „Kann ich übrigens ein Telegramm nach Hamburg aufgeben?“
Herr Sola nahm beinahe ein wenig zu eilfertig den Hörer ab und verlangte die Zentrale.
„Doktor Liesegang abendblatt hamburg “, diktierte Peter Schimmelpfennig. „Angekommen Tokio Palace-Hotel — Stop — Bitte auch zu Hause Bescheid sagen — Stop — Herzliche Grüße.“
Drei Minuten später lag Peter Schimmelpfennig in seiner Badewanne und seifte sich die Haare ein.
Peter Schimmelpfennig schreibt ein
paar hundertmal seinen Namen
und wird anschließend geraubt
Der Hubschrauber wartete auf dem Spielfeld eines leeren Fußballstadions. Ziemlich genau auf der Mittellinie.
Peter Schimmelpfennig durfte sich neben den Piloten setzen. Direktor Suzuki, die Herren Nagase und Watanabe klemmten sich zusammen mit dem Brasilianer Sola und dem Reklamechef auf die hinteren Plätze.
Es hatte zu regnen aufgehört. Die Wolken hingen nicht mehr ganz so tief, und über den riesigen Fischhallen an der Tokio-Bay lagen schon die ersten Sonnenflecke.
Peter Schimmelpfennig hatte natürlich seinen Fotoapparat bei sich und knipste eifrig auf die Stadt hinunter.
„Du hättest einen Mantel anziehen sollen“, rief Direktor Suzuki.
Der Motor und die Luftschraube waren so laut, daß man sich in der engen Kabine kaum verständigen konnte. Peter Schimmelpfennig hatte die Frage deshalb auch nicht gehört.
„Sein Mantel wurde in Rio gebraucht“, antwortete jetzt Rodrigo ein wenig zweideutig. „Sie erinnern sich vielleicht an die Fotos?“
„Der Tokaido-Expreß“, rief in diesem Augenblick der Erste Sekretär, Herr Nagase, aufgeregt. Er zeigte an seiner Nase vorbei auf den Boden.
Peter Schimmelpfennig drückte sich so dicht wie möglich an die Fensterscheibe. Und da entdeckte er beinahe senkrecht unter sich eine silbergraue Schlange, die immer wieder zwischen den Häusern verschwand.
„Mit zweihundert Kilometern in der Stunde ist er der
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