Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
angeblich Prinz Namburi hieß und König von Tanimpang sein sollte, stand zwei Stufen erhöht neben einem goldenen Sessel. Im Augenblick kniete gerade ein Mann in einem schwarzen Straßenanzug vor ihm und bekam einen Orden umgehängt. Anschließend berührte dieser Mann mit der Stirn den teppichbelegten Fußboden und stand wieder auf. An seine Stelle trat jetzt ein Offizier, dessen Uniform von Gold nur so blitzte. Auch er kniete sich nieder und nahm seinen Orden in Empfang. Das wiederholte sich eine ganze Weile, bis am Ende so etwa dreißig braungebrannte Herren mit nagelneuen Orden und freundlichem Lächeln den Saal verließen. In diesem Augenblick breitete der junge Mann in der schneeweißen Uniform seine Arme auseinander und sagte: „Peter Schimmelpfennig, Steinfeldstraße vierundachtzig, vierter Stock.“ Dabei lächelte er und ließ sich in seinen goldenen Sessel fallen.
    „Das ist Herr Mayer“, bemerkte Peter Schimmelpfennig verlegen, „er ist Ostasienkorrespondent beim abendblatt.“
    Herr Mayer verneigte sich, und dann war es eine ganze Minute lang still wie in einer Kirche.
    Peter Schimmelpfennig beguckte sich die holzgeschnitzten Himmelsschlangen an der Decke und die Perlmutteinlagen an den Türen. Dabei machte er ein Gesicht wie ein schlechter Schüler bei der Preisverteilung.
    Da huschte einer der Herren in den schwarzseidenen Gewändern herein, legte seine gefalteten Hände an die Stirn und verbeugte sich wieder. Dabei sagte er irgend etwas.
    „Lieber Peter Schimmelpfennig“, sagte daraufhin Herr Sang Ping in seiner schneeweißen Uniform, „ich schlage vor, daß du mir zuerst deine Geschichte erzählst, und dann erzähle ich dir, was mir passiert ist. Nur haben wir leider nicht viel Zeit. Mein Staatsbesuch ist nämlich vorbei, und um zwei Uhr fünfundvierzig startet meine Maschine.“
    „Einverstanden, Majestät.“ Peter Schimmelpfennig grinste. „Meine Maschine fliegt genau eine Viertelstunde später.“

Frau Schimmelpfennig hat ein
Königreich gerettet

    Prinz Namburi saß mit seiner schneeweißen Uniform in einer genauso schneeweißen Limousine. Die Polizisten, die auf acht Motorrädern voraus und hinterher fuhren, hatten weiße, glänzende Helme auf den Köpfen, breite weiße Koppel und weiße Schulterriemen. Es war ein Bild, das allen Waschmittelfabriken der Welt Spaß gemacht hätte.
    Die Straßen waren zum Teil abgesperrt, und immer wieder standen Menschen auf den Gehsteigen oder hingen halb aus den Fenstern und winkten.
    Das kleine Gefängnisauto, das wie ein Lieferwagen aussah, folgte mit ein wenig Abstand. Herr Mayer und der Dicke mit den Austernaugen hatten sich vorn neben den Fahrer geklemmt. Die weiße Limousine fuhr jetzt an einem Fußballstadion vorbei. Die Besucher, die gerade aus den Omnibussen gestiegen waren und durch die Tore strömten, drehten sich um, blieben stehen und winkten.
    Prinz Namburi lächelte durch sein Fenster und winkte zurück. Gleichzeitig sagte er: „Dann habe ich dir also zu einer Weltreise verholfen und wußte gar nichts davon.“ In der linken Ecke der Limousine saß nämlich Peter Schimmelpfennig. Aber er hatte sich so weit zurückgesetzt, daß man ihn von außen gar nicht sehen konnte.
    „... und zu einer Gefängniszelle“, fügte der Prinz und König von Tanimpang nach einer Weile hinzu. Dabei lächelte er fleißig weiter und winkte nach allen Seiten. „Wobei du natürlich der Meinung bist, daß diese Gefängniszelle besser zu mir gepaßt hätte.“
    Peter Schimmelpfennig schwieg und drückte sich nur tiefer in die Ecke der Limousine.
    „Tanimpang war immer ein Königreich“, sagte der junge Mann in seiner schneeweißen Uniform nach einer Weile. „Aber vor zehn Jahren wurde die Insel überfallen und die Monarchie gestürzt. Mein Vater, der bis zu diesem Augenblick regiert hatte, mußte fliehen und ist später gestorben. Ich blieb der einzige Nachfolger. Aber das war auch alles. Mein Vater hatte kein Geld hinterlassen, und der Thron war verloren.“
    Prinz Namburi beugte sich wieder zum Fenster und grüßte lächelnd. Die Menschen winkten jetzt mit grünen Tüchern und ließen grüne Luftballone aufsteigen.
    „Grün ist die Nationalfarbe von Tanimpang“, erklärte der Prinz in seiner schneeweißen Uniform. Dann erzählte er weiter: „Ich habe eigentlich immer daran geglaubt, daß ich eines Tages in unser Land zurückkommen würde. Bis dahin wollte ich möglichst viel lernen. Tanimpang ist leider nicht reich, und man lebt bei uns noch sehr

Weitere Kostenlose Bücher