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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Taschenuhr heraus. „Zehn Minuten vor zwölf.“ Er zog an seiner Zigarette und blinzelte in den Rauch.
    „Also noch drei Stunden bis zum Abflug“, überlegte Peter Schimmelpfennig, „und morgen stehen sie in Hamburg am Flugplatz und gucken in die Röhre.“
    „Ma-da-gas-kar“, murmelte Herr Mayer vor sich hin und malte wieder in sein Kreuzworträtselheft. Und dann sagte er plötzlich: „Hoffentlich hast du dich nicht getäuscht. Wenn die Geschichte nämlich stimmt“ — er blickte wieder in seinen Zigarettenrauch — , „dann ist sie besser, als man sie erfinden könnte.“
    „Vielleicht gibt es zwei Menschen, und einer sieht genauso aus wie der andere“, meinte Peter Schimmelpfennig. „Aber daß jedem auch das linke Ohrläppchen fehlt, das geht zu weit.“ Die Fliege flog immer noch im gleichen Kreis herum wie eine elektrische Eisenbahn auf einer Schiene.
    „Stimmt, das Ohrläppchen hatte ich ganz vergessen“, gab Herr Mayer zu. Er tippte sich mit seinem Drehbleistift an die Nase und blickte wieder in sein Heft mit den Kreuzworträtseln: „Inneres Körperorgan?“
    In diesem Augenblick wurde die Tür aufgestoßen, und der junge Thaipolizist zeigte mit seiner Maschinenpistole zum Korridor. Er grinste vergnügt und lehnte sich an die Wand. Als die beiden Gefangenen an ihm vorbeigegangen waren, spazierte er hinterher und pfiff dabei vor sich hin.
    Der Dicke mit seinen Austernaugen stand am Fenster und schaute in den Gefängnishof hinaus. Er rührte sich überhaupt nicht, als Herr Mayer und Peter Schimmelpfennig in sein Büro gebracht wurden. Aber die beiden entdeckten natürlich sofort ihre Sachen aus der Gepäckaufbewahrung auf dem Schreibtisch. Da stand der Käfig mit dem Papagei, Peters neuer Mantel aus Tokio lag neben dem Jackett, der Segeltuchtasche und der Mappe von Herrn Mayer. Alles war ausgepackt und nebeneinander dekoriert wie in einem Schaufenster.
    „Mein Kompliment“, stellte Herr Mayer fest, „sie waren bei der Gepäckaufbewahrung am Flugplatz.“
    Jetzt drehte sich der Dicke in seiner Khakiuniform langsam um. Dabei zeigte es sich, daß er Peter Schimmelpfennigs Perücke aus Tokio in den Händen hatte und die schwarze Hornbrille mit dem Fensterglas. Der Dicke guckte sehr traurig aus seinen Austernaugen und sagte etwas.
    „Er meint, diese Dinge beweisen ihm ausreichend, daß du nicht so harmlos bist, wie du es ihm weismachen willst“, übersetzte Herr Mayer. „Ob du nicht doch lieber ein Geständnis ablegen möchtest!“
    Der junge Thaipolizist schob inzwischen einen Stuhl vor die Tür und machte es sich bequem. Er hatte seine Maschinenpistole über den Knien, grinste weiterhin vergnügt und rechnete offensichtlich mit einer längeren Darbietung.
    „Es gibt nichts zu gestehen“, sagte Peter Schimmelpfennig gerade. Im gleichen Augenblick entdeckte er zwischen allen anderen Sachen auf dem Schreibtisch seine kleine Brieftasche. Und von dieser Sekunde an überstürzten sich die Ereignisse geradezu.
    Neben dieser Brieftasche lagen nämlich die Fotos, die Peter Schimmelpfennig kurz vor seinem Abflug in Hamburg eingesteckt hatte, weil er vielleicht der Polizei in Frankfurt zeigen mußte, wie der gesuchte Untermieter überhaupt aussah. Auf ihnen war Herr Sang Ping abgebildet, wie er im Zoologischen Garten herumspazierte, und einmal stand Peter Schimmelpfennig vor einem Giraffenkäfig neben ihm. Beide lachten in die Kamera.
    „Das ist allerdings eine täuschende Ähnlichkeit“, bemerkte Herr Mayer, als er die Fotos betrachtete.
    Der Dicke mit den müden Austernaugen hatte zuerst protestiert, als Peter Schimmelpfennig die Bilder vom Tisch genommen hatte. Aber jetzt hielt er sich ein Foto nach dem anderen ganz dicht vor die Nase. Dann stellte er plötzlich seinen Papierkorb auf den Kopf. Er fand eine etwas zerknüllte Zeitung, legte sie auf den Tisch und strich sie wieder glatt, so gut es ging. Seine Hand wischte dabei über ein Bild des königlichen Staatsbesuchers, der auf der ersten Seite dieser Zeitung herzlich in Bangkok begrüßt wurde.
    Eine Weile tuschelten jetzt der Dicke und Herr Mayer miteinander. Peter Schimmelpfennig verstand natürlich kein Wort. Er sah nur, wie sich die beiden immer tiefer über die
    Zeitung beugten und dabei fast mit den Köpfen zusammenstießen.
    „Es stimmt tatsächlich“, sagte Herr Mayer schließlich. Er war vor Aufregung ganz rot im Gesicht und atmete so schwer, als hätte er gerade einen Sack Kohlen aus dem Keller geholt. „Sein linkes Ohrläppchen

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