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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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ab. „Deshalb haben sie uns in der Luft hängenlassen.“
    Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und drehte sich dabei zu Peter um. „Und du mußt jetzt auf deinen Platz. Die Brasilianer kontrollieren nämlich verdammt genau. Und sie nehmen sich Zeit dazu. Wir sehen uns bestimmt wieder drüben in der Halle. Wir müssen ja auch durch den Zoll.“
    Peter Schimmelpfennig hatte sich gerade wieder neben Frau Bergström auf seinen Platz gesetzt, da gingen die Türen auf. Zwei Offiziere in prächtigen Uniformen kamen an Bord, lächelten freundlich und legten ihre Hände an die Mützen. „Willkommen in Brasilien. Bitte halten Sie für die spätere Kontrolle im Flugplatzgebäude Ihre Pässe und Impfbescheinigungen bereit!“ Sie sagten es in verschiedenen Sprachen. Da es sich um eine Lufthansa-Maschine handelte, zuerst in deutsch. Dann gaben sie zwei Männern, die weiße Ärztemäntel trugen, ein Zeichen und zogen sich wieder zurück. Diese beiden Herren verteilten Papiertaschentücher an die Passagiere und gingen anschließend mit zwei großen Spritzen von einer Sitzreihe zur anderen. Jedesmal schossen sie eine Ladung DDT-Pulver in die Gegend. Dann verschwanden auch sie wieder ziemlich schnell und machten die Türen hinter sich zu.
    „Andere Länder, andere Sitten“, konstatierte Frau Bergström.
    „Leider müssen wir jetzt noch zehn Minuten warten“, gab der flachsblonde Steward Eckelkamp bekannt. „Das ist leider Vorschrift. Solange braucht das Desinfektionsmittel, um die Bakterien zu töten, die wir vielleicht in unserer Begleitung haben. Die Papiertaschentücher sind zum Schutz von Nase und Mund gedacht. Vielleicht kann ich Ihnen mit etwas Musik die Wartezeit verkürzen.“
    Aus dem Bordlautsprecher kam ein Wiener Walzer, und die ersten Passagiere fingen an zu husten und zu niesen. Die Hitze wurde von Minute zu Minute unerträglicher. Das Flugzeug stand ohne Entlüftungsmöglichkeit in der prallen Sonne, und Rio hatte augenblicklich eine Außentemperatur von 36 Grad.
    „Ich protestiere“, rief ein älterer Herr mit weißen Haaren. Aber ein Hustenanfall warf ihn gleich auf seinen Sitz zurück. Er hatte den Mund zu weit aufgemacht.
    Die zehn Minuten gaben Peter Schimmelpfennig die Möglichkeit, in Ruhe seine Lage zu überdenken. Die Passagiere bemühten sich nämlich, nicht zu sprechen und möglichst wenig zu atmen. Man hörte nur die Wiener-Walzer-Musik und gelegentliches Hüsteln.
    Peter Schimmelpfennig besaß natürlich keinen international gültigen Reisepaß. Als er zu seinem Flug nach Frankfurt gestartet war, hatte er sich nur seine sogenannte „Milchkarte“ eingesteckt und seinen Schulausweis.
    Und eine Impfbescheinigung hatte Peter Schimmelpfennig erst recht nicht. In Hamburg kannte man Pocken, Gelbfieber und Cholera Gott sei Dank nur vom Hörensagen. Es lag also kein Grund vor, sich dagegen irgendwelche Affengifte in den Arm spritzen zu lassen.
    Als nach genau zehn Minuten die Türen endlich geöffnet wurden, ertönten von draußen Kommandorufe und gleich darauf laute Marschmusik. Von dem Wiener Walzer war nichts mehr zu hören.
    Die Passagiere beeilten sich, aus dem Flugzeug zu kommen — einerseits wegen der Hitze und der DDT-verseuchten Luft und dann auch, weil sie neugierig waren.
    In einer Entfernung von etwa fünfzig Metern zeigte sich gerade ein dicklicher, uniformierter Herr in der Tür seines Flugzeugs, dessen Gangway auf den ausgelegten roten Läufer führte. Sicherlich handelte es sich um einen hohen General. Er trug seine goldbestickte Mütze tief in der Stirn und hatte eine Sonnenbrille mit ungewöhnlich großen, dunklen Gläsern vor den Augen. Jetzt kam er die Metalltreppe herunter.
    Die etwa hundert Passagiere hatten sich inzwischen in Richtung Flugplatzgebäude in Bewegung gesetzt. Zwei Angestellte des Bodenpersonals zeigten ihnen den Weg. Peter Schimmelpfennig trug wieder Frau Bergströms schmalen Krokodillederkoffer. Sein Jackett hatte er ausgezogen und zusammen mit seinem Hamburger Wintermantel über die Schulter gelegt.
    Der dickliche General mit der großen Sonnenbrille schritt inzwischen die Front der angetretenen Soldaten ab, die ihre Gewehre präsentiert hatten. Ihre weißen, schwarzen oder kaffeebraunen Gesichter schauten unbewegt geradeaus.
    Die Passagiere wurden jetzt ersucht, einen Augenblick stehenzubleiben. Das war in der heißen Sonne eine gelinde Zumutung. Aber der General stand bereits aufrecht in einem großen, offenen Wagen, von dessen Seiten Standarten

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