Der Blinde von Sevilla
es?«
»Warum waschen sie es jetzt , solltest du fragen.«
»Gut, dann frage ich das.«
»Im nächsten Jahr kommt der Euro, Schluss mit der Peseta. Man muss seine Peseten offiziell angeben, um Euros zu bekommen. Und wenn es sich um Schwarzgeld handelt, könnte das unangenehm werden.«
»Und was machen sie mit ihren Peseten?«
»Sie kaufen unter anderem Kunst und Immobilien«, sagte Salgado. »Versuch jetzt mal, in Sevilla eine Wohnung zu kaufen.«
»Ich bin nicht am Markt.«
»Und was die Kunst angeht?«
» Tampoco. Genauso wenig.«
»Bist du schon dazugekommen, das Atelier deines Vaters auszuräumen?«
Da war sie wieder. Die Frage. Falcón konnte selbst nicht glauben, dass er auf dem Friedhof auf Salgados Mitleidsnummer hereingefallen war. Diese Frage brachte Salgado in jedem Gespräch unter, das sie führten, weshalb er ihn nach Möglichkeit ganz mied. Jetzt würden die Schmeicheleien losgehen, es sei denn, er wurde schroff oder wechselte das Thema.
»In der Gastronomie gibt es eine Menge schwarzes Geld, oder, Ramón?«
»Was glaubst du, warum er umziehen wollte?«, fragte Salgado.
»Das ist eine interessante Frage.«
»Niemand hat deinem Vater je ein Gemälde mit einem Scheck abgekauft«, sagte Salgado. »Und ja, du hast Recht, es gibt viel Schwarzgeld in der Gastronomie, vor allem im Bereich der Touristen-Restaurants, in denen günstige Gerichte ohne Rechnung bar bezahlt werden. Kaum etwas von dem Geld findet je einen Weg in die Bücher, die die Steuer sieht.«
»Das passiert also jetzt … Und 1992?«
»Das ist alles gewesen und vorbei. Ich hab das nur zur Erklärung angeführt.«
»Ich war damals noch nicht hier, habe aber gehört, es hätte eine Menge Korruption gegeben.«
»Ja, ja, ja, aber das ist zehn Jahre her.«
»Du klingst, als hättest du etwas zu verbergen, Ramón. Du warst doch nicht …?«
»Ich?«, erwiderte er entrüstet. »Ein Kunsthändler? Wenn du denkst, ich hätte irgendeine Gelegenheit gehabt, an der Expo ’92 zu verdienen, bist du verrückt.«
»Weißt du irgendwas , Ramón? Ich meine, sind wir bloß hier, damit du deine Allgemeinplätze loswerden kannst, oder hast du etwas Konkretes, was mir helfen könnte, Raúl Jiménez’ Mörder zu finden? Was ist mit all den Leuten, die zu deinen Ausstellungen kommen? Ich wette, die reden über ›reelle‹ Dinge, wenn sie mit der prätentiösen Kunstscheiße fertig sind.«
»›Prätentiöse Kunstscheiße‹? Javier, ich bin überrascht. Ausgerechnet du.«
Jetzt kommen wir zur Sache, dachte Falcón. Es war ein Handel. Informationen gegen das, was Salgado mehr als alles andere wollte: eine Chance, im Atelier seines Vaters herumzukramen. Dabei ging es gar nicht ums Geld. Es war das Prestige. Das wäre der krönende Augenblick im unglamourösen Leben dieses Mannes: eine letzte Ausstellung mit bisher unbekannten Werken von Francisco Falcón. Sammler würden kommen, Amerikaner, Museumskuratoren. Und mit einem Mal würde er wieder im Mittelpunkt stehen, so wie vor 40 Jahren.
Falcón biss in eine große fleischige Olive. Salgado knipste den Stiel einer Kaper ab und drehte ihn zwischen den Fingern.
»Sind diese Informationen auch wasserdicht, Ramón?«
»Ich habe manches mitgehört, und andere haben das Bild, an dem ich seit Jahren arbeite, vervollständigt, ohne zu ahnen, was ich bereits wusste. Ein tableau vivant. «
»Hat dieses Bild auch einen Namen?«
»Ich denke Orangenblüte und Pferdescheiße wäre ein angemessener Titel.«
»Und würdest du mir eine Kopie dieses herausragenden Werkes zur Verfügung stellen, wenn ich dir Zugang zum Atelier meines Vaters gewähre und … was? Dich eine Ausstellung seines Nachlasses machen lasse?«
» Oh, no, no, no, que non , Javier, hombre. So etwas würde ich nie verlangen. Es wäre natürlich nett, eine nostalgische Reise durch seine abstrakten Landschaften zu unternehmen, aber das ist heute alles passé. Wenn er noch ein paar Akte versteckt hätte wie den in der Reina Sofia, die beiden im Guggenheim und den einen, den Barbara Hutton dem MOMA gestiftet hat, wäre das etwas anderes. Aber wir beide wissen …«
»Dann bin ich verwirrt, Ramón.«
»Ich möchte einfach einen Tag allein in seinem Atelier verbringen«, sagte er. »Du kannst mich gerne einsperren und durchsuchen, wenn ich wieder herauskomme. Ich bitte dich nur um einen Tag zwischen seinen Pinseln, Leinwänden, Staffeleien und Ölfarben.«
Sein Glas Manzinilla auf halbem Weg zum Mund, starrte Falcón den alten Mann an und
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