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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Falcón. »Eloisa war Mittwochnacht oder Donnerstagfrüh bei einem Freier. Nachdem sie gegangen ist, wurde er ermordet.«
    »Pech.«
    Er wählte Eloisas Nummer auf seinem Handy, doch sie nahm nicht ab. Er nannte seine Nummer und bat um Rückruf. Dabei fühlte er sich von den Mädchen beobachtet wie ein Tier im Zoo, von dem alle erwarteten, dass es etwas Interessantes machte. Eine Blonde im Hintergrund schlug vor: »Sollen wir dir einen blasen? Du kriegst den üblichen Polizistenrabatt.« Die Mädchen lachten.
    Er ging an den Frauen vorbei die Calle Vulcano hinunter zur Calle Mata und weiter zur Calle Rektor. Eine Erinnerung an seinen letzten Besuch in dieser Gegend kam ihm in den Sinn, es musste zusammen mit seinem Vater gewesen sein, denn er kam selbst nie aus eigenem Antrieb auf einen Drink oder eine tapa hierher. In dem Viertel gab es allerlei Kunsthandwerker. Einen Rahmenbauer und auch einen Kopisten, ein finsterer dunkelhäutiger Typ, der Heroin nahm, wie sein Vater ihm erzählt hatte. Wie hieß er noch? Es war ein Spitzname gewesen. Als Falcón ihn zum ersten und einzigen Mal gesehen hatte, war er nur mit einem schwarzen Satinslip bekleidet gewesen, ein dünner Mann mit großen Zähnen und der Muskulatur eines wilden Tieres. Und Falcón war schockiert gewesen darüber, wie er, ohne Anstalten zu machen, sich anzuziehen, eine Hand achtlos in dem Slip, mit seinem Vater verhandelt hatte.
    Er überquerte die Calle Feria und stand vor einer alten Kirche mit einem lateinischen Namen – Omnium Santorum – neben einem überdachten Markt. Es war dunkel und still, und er zuckte zusammen, als sein Handy klingelte.
    »Diga« , meldete er sich.
    Er hörte nur ein ätherisches Zischen.
    »Diga« , wiederholte er lauter.
    Die männliche Stimme, die schließlich antwortete, war überraschend sanft.
    »Wo bist du jetzt?«
    »Wer ist da?«, fragte Falcón verärgert.
    »Sind wir uns nahe?«, fragte die Stimme, und die Worte ließen ihn erstarren. Er beugte sich vor, als ob er gebückt besser hören könnte.
    »Ich weiß nicht, sind wir das?«
    »Näher, als du denkst«, sagte die Stimme, und dann war die Leitung tot.
    Falcón fuhr herum, ließ seinen Blick über jeden Hauseingang und jede Straßenecke sowie die dunkle Gasse zwischen Kirche und Markt schweifen. Er rannte los und blickte in die Nebenstraßen. Ein Pärchen mit Hund wechselte auf die andere Straßenseite, um ihm aus dem Weg zu gehen. Er musste einen ziemlich irren Eindruck machen, als tanzte er mit den Schatten wie ein verrückter Boxer.
    Er blieb stehen und starrte auf das Pflaster, während er im Kopf mögliche Szenarien durchspielte. Wenn der Mörder Eloisa Gómez vorher nicht gekannt hatte, dann musste er ihre Nummer in Jiménez’ Handy gefunden haben, das er aus der Wohnung gestohlen hatte. Er hatte sie wohl gestern Abend angerufen und musste jetzt im Besitz ihres Handys – und so an Falcóns Nummer gekommen – sein, was bedeutete … Schuldgefühle drückten schwer auf seine Brust. Er hatte sie ermordet. Und selbst wenn er sie vorher gekannt hatte, hatte das den Ausgang nicht verändert.
    Das haben wir übel vermasselt, dachte er, rannte los und kam atemlos und schwitzend zurück auf die Alameda.
    »Wo wohnt Eloisa Gómez?«, fragte er. »Und weiß irgendjemand, wohin sie nach dem Anruf gestern Nacht gegangen ist?«
    Das fette Mädchen führte ihn in ungelenker Eile vorbei an kleinen Gruppen, die auf leeren Plätzen und in Einfahrten über Alufolie kauerten, an Kugelschreiberhüllen saugten und auf den ultimativen Kick des Rausches warteten. In der Calle Joaquín Costa schloss sie die Tür eines alten, verfallenen Hauses auf. Gräser und Blumen sprossen aus den Rissen im Putz, im Treppenhaus gab es kein Licht, die Holztreppe stank nach Urin. Die Schwarzhaarige wies auf eine Tür im ersten Stock. Er pochte mit der Faust dagegen, doch niemand antwortete. Also holte seine Begleiterin einen Zweitschlüssel aus ihrem Zimmer. Doch Eloisa war nicht da, nur ein brandneuer, großer Plüschpandabär saß auf dem ausgebeulten Sofa.
    »Der ist für ihre Nichte«, sagte das Mädchen. »Ihre Schwester wohnt in Cadiz.«
    Der Panda hatte die Arme zu einer steifen Umarmung ausgestreckt, seine Augen waren dumm und traurig, und für einen Moment sah Falcón seine eigene Einsamkeit im Gesicht dieses blöden Stofftiers gespiegelt. Er rief noch einmal Eloisa Gómez’ Handy an und bekam wieder nur die Mailbox. Diesmal sprach er nur drei Worte darauf: »Wo ist sie?«
    Dann gab

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