Der blonde Vampir
beobachtet.«
»Was willst du?« keuchte ich verzweifelt.
Er ließ mich los. Sein Tonfall war leicht und unbeschwert – und für mich daher besonders grausam. »Ich bin gekommen, um dich vor die Wahl zu stellen. Du kannst mit mir gehen, meine Frau sein, werden, wie ich es bin. Oder aber du und deine Familie werden noch in dieser Nacht sterben. So einfach ist das.«
Da war noch etwas anderes in seiner Stimme außer Grausamkeit. Fast schien es mir, als ob er über irgendeine unerwartete Entdeckung aufgeregt wäre. »Was meinst du damit, daß ich werden soll wie du? Ich werde niemals so sein wie du! Du bist anders als jeder andere!«
»Eben das macht meine Größe aus. Ich bin der erste meiner Art, aber ich kann andere erschaffen, die genauso sind wie ich. Ich kann dafür sorgen, daß du so wirst wie ich, wenn du zustimmst, daß wir unser Blut vereinen.«
Ich wußte nicht, was er mir da anbot, aber der Gedanke, daß sein Blut, und sei es nur ein kleines bißchen, sich mit meinem vermischen würde, jagte mir Angst ein. »Was würde dein Blut bei mir bewirken?« fragte ich.
Er stand aufrecht da. »Du siehst doch, wie stark ich bin. Es ist nicht leicht, mich zu töten. Ich sehe Dinge, die du nicht siehst, ich höre, was du nicht hören kannst.« Er lehnte sich nah an mich, und ich spürte seinen Atem kalt auf meiner Wange. »Vor allem träume ich von Dingen, die du dir kaum vorstellen kannst. Du kannst Teil meiner Träume werden, Sita. Oder du kannst heute nacht anfangen, in der Erde zu verrotten – neben deinem Ehemann und deinem Kind.«
Ich zweifelte nicht an seinen Worten. Schließlich hatte ich von Anfang an gemerkt, daß er einzigartig war. Daß er seine Fähigkeiten auf einen anderen übertragen konnte, erstaunte mich nicht.
»Würde ich genauso grausam werden wie du, wenn du mir etwas von deinem Blut abgibst?«
Meine Frage amüsierte ihn. »Ich denke, daß du nach einer Weile sogar noch schlimmer werden würdest als ich.« Er trat noch näher, und ich spürte, wie seine Zähne mein Ohrläppchen berührten. Er biß leicht zu und trank das wenige Blut, das aus der Wunde austrat. Alles in mir lehnte sich verzweifelt dagegen auf, als ich spürte, welche Wirkung dieser Biß auf mich hatte: Es gefiel mir. Es gefiel mir sogar mehr als die Leidenschaft, die mein Mann in mir erweckte, wenn wir uns nachts liebten. Jetzt spürte ich, welche Macht Yaksha wirklich besaß – eine Macht, die größer war als alles, was wir Menschen uns vorstellen konnten. Dieser leichte Biß hatte bewirkt, daß ich mich plötzlich wie eine ganz andere fühlte. Ich fühlte mich unbesiegbar.
Trotzdem haßte ich ihn – mehr als zuvor.
Ich trat einen Schritt zurück.
»Ich habe miterlebt, wie du aufgewachsen bist«, sagte ich. »Und du kennst mich, seit ich ein Kind war. Du weißt, daß ich immer sage, was ich denke. Also: Wie soll ich deine Frau werden, wenn ich dich hasse? Warum solltest du eine Frau wie mich wollen?«
Seine Antwort klang ernst: »Ich will dich schon seit vielen Jahren.«
Ich wandte ihm den Rücken zu. »Wenn du mich wirklich so sehr willst, heißt das doch, daß ich dir etwas bedeute. Und wenn ich dir etwas bedeute, dann geh fort von hier. Geh fort und komm nie wieder. Ich bin glücklich so, wie ich lebe.«
Ich spürte seine kalte Hand auf meiner Schulter. »Ich werde dich nicht hier zurücklassen.«
»Dann töte mich. Aber verschone meinen Mann und mein Kind.«
Er packte meine Schulter fester. Ich erkannte, daß er so stark wie zehn andere Männer war. Wenn ich jetzt schrie, würde Rama in wenigen Augenblicken tot sein. Der Schmerz fuhr von meiner Schulter durch meinen ganzen Körper, und ich krümmte mich.
»Nein«, sagte er. »Du wirst mich begleiten. Es war Schicksal, daß du dabeiwarst in jener Nacht. Es ist dein Schicksal, mir zu folgen – bis zum Rande der Nacht und darüber hinaus.«
»Bis zum Rande der Nacht?«
Er zog mich zu sich empor und küßte mich hart. Erneut spürte ich, wie sich sein Blut mit meinem vermischte. »Wir werden ewig leben«, beschwor er mich. »Sag nur ja. Du mußt ja sagen.« Er schwieg und starrte auf mein Haus. Er brauchte seine Drohung nicht zu wiederholen, ich verstand ihn auch so. Ich hatte verloren.
»Ja.«
Er zog mich an sich. »Liebst du mich?«
»Ja.«
»Du lügst, aber das stört mich nicht. Eines Tages wirst du mich lieben. Für alle Zeiten.«
Er nahm mich auf seine Arme und trug mich fort. In den dunklen Wald, an einen Ort der Ruhe, der Stille. Dort öffnete er seine und meine Venen
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