Der blonde Vampir
zurück. Sein Körper wurde nie entdeckt; man fand nur eine Locke seines Haares, unten am Fluß, blutgetränkt. Während des Gottesdienstes, den man für ihn hielt, brach ich zusammen und schrie all das heraus, was seit Yakshas Geburt passiert war. Aber die meisten Leute dachten, ich sei vor Schmerz und Trauer halb wahnsinnig, und hörten mir gar nicht zu. Nur wenige lauschten auf meine Worte – hauptsächlich die Familien der anderen Männer, die ebenfalls verschwunden waren.
Mein Schmerz über den Verlust meines Vaters ließ nur langsam nach. Zwei Jahre nach seinem Tod und Yakshas Verschwinden, vor meinem zwanzigsten Geburtstag, traf ich Rama, den Sohn eines reisenden Händlers. Ich verliebte mich sofort in ihn. Ich sah ihn und wußte im selben Augenblick, daß ich zu ihm gehörte, und, Vishnu sei Dank, Rama erging es genauso. Wir heirateten beim nächsten Vollmond unten am Fluß. In der ersten Nacht, die ich mit meinem Ehemann verbrachte, träumte ich von Amba. Ich sah sie so vor mir, wie sie gewesen war, wenn wir spät in der Nacht zusammen gesungen hatten. Doch was sie sagte, begriff ich nicht. Sie forderte mich auf, mich vom Blut der Toten fernzuhalten und es nie zu berühren. Ich erwachte schluchzend und konnte erst wieder einschlafen, als ich mich eng an meinen Ehemann schmiegte.
Bald wurde ich schwanger, und noch bevor ein Jahr meiner Ehe vergangen war, gebar ich eine Tochter – Lalita, Sie, die spielt. Meine Freude war unbeschreiblich, und der Schmerz um den Tod meines Vaters verblaßte immer mehr. Doch mir sollte nur dieses eine Jahr des Glücks vergönnt sein.
In einer mondlosen Nacht erwachte ich von einem Geräusch. Neben mir schlief mein Ehemann und auf der anderen Seite meine Tochter. Ich weiß nicht, warum das Geräusch mich geweckt hatte; es war nicht laut. Aber es klang irgendwie merkwürdig – wie Nägel, die über eine Klinge kratzen. Ich stand auf und trat vors Haus. Dort verharrte ich in der Dunkelheit und schaute mich um.
Er kam von hinten, wie er es damals immer getan hatte, als wir noch Freunde waren. Ich wußte, daß er da war, noch bevor er ein Wort gesagt hatte. Ich spürte seine Nähe – die Nähe eines nichtmenschlichen Wesens.
»Yaksha«, flüsterte ich.
»Sita.« Seine Stimme klang sanft.
Ich wirbelte herum und wollte schreien, aber er hatte reagiert, noch bevor ein Ton über meine Lippen drang. Zum erstenmal spürte ich Yakshas wirkliche Stärke. Er hatte sie stets zu verbergen gewußt, während er noch bei uns im Dorf lebte. Ich spürte seine Hände mit den langen Nägeln wie Tigerpfoten um meinen Hals. Ein langes Schwert schlug gegen sein Knie. Er drückte mir die Luft ab, lehnte sich vor und flüsterte mir ins Ohr. Er war noch gewachsen, seit ich ihn das letztemal gesehen hatte.
»Du hast mich betrogen, mein Liebling«, sagte er. »Wirst du schreien, wenn ich dich loslasse? Wenn du schreist, wirst du sterben. Verstanden?«
Ich nickte mühevoll, und er lockerte seinen Griff, doch er hielt mich weiterhin fest. Ich mußte husten, bevor ich reden konnte. »Du hast mich betrogen«, erklärte ich bitter. »Du hast meinen Vater und die anderen Männer getötet.«
»Woher willst du das wissen?« fragte er.
»Wo sind sie, wenn du sie nicht getötet hast?«
»Sie sind bei mir, einige zumindest – gewissermaßen.«
»Was redest du da? Du lügst, sie sind tot, mein Vater ist tot.«
»Dein Vater ist tot, das stimmt, aber er ist selbst schuld. Er wollte mir nicht angehören.« Er schüttelte mich grob. »Willst du mir angehören?«
Es war so dunkel, daß ich nur die Konturen seines Gesichts erkennen konnte. Aber ich glaube, daß er mich anlächelte. »Nein«, sagte ich.
»Du weißt nicht, was du da zurückweist.«
»Du bist böse.«
Er schlug mir ins Gesicht. Der Schlag warf meinen Kopf herum. Ich schmeckte Blut auf der Zunge. »Du weißt nicht, was ich bin«, sagte er. Es klang ärgerlich und stolz zugleich.
»Doch, ich weiß es. Ich war dabei in jener Nacht. Haben die anderen es dir nicht erzählt, bevor du sie getötet hast? Ich habe alles gesehen. Ich habe dir deinen Namen gegeben: Yaksha – der verfluchte Sohn eines Yakshini!«
»Sei still!«
»Glaub nicht, daß du mir sagen kannst, was ich tun soll!«
Er packte mich wieder fester, so daß ich kaum Luft bekam. »Dann wirst du sterben, liebliche Sita. Doch zuerst wirst du den Tod deines Ehemannes und deines Kindes miterleben. Ja, ich weiß wohl, daß sie beide in diesem Haus schlafen. Ich habe dich eine Weile aus der Ferne
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