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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nicht mehr in alles einmischten.«
    »Wie ich schon sagte, Malander, ich bin müde.«
    »Niemand will dir so dringend an die Wäsche, Pops, am allerwenigsten ich. Es gibt Millionen Fische im Ys, du mußt nicht meinen, du wärst was Besonderes. Ich werde lediglich mit hineingehen und fragen, ob ich meinen Vater mitnehmen soll.«
    »Du haßt deinen Vater.«
    »Ja, aber nur zum Zeitvertreib.«
    Zu müde, um ihm zu widersprechen, zuckte sie die Achseln, aber bei dem Gedanken, jetzt noch mit jemandem reden, ihn womöglich sogar abwehren zu müssen, wurde ihr beinahe übel. Sie bekam Malander Fingerhut langsam satt. Überhaupt war der ganze Abend ein Reinfall gewesen. Nach der Beisetzung ihres Bruders in der drückenden Stille des Hains, wo die Last der Tradition sie umgeben hatte wie ein dichter Nebel, und hinterher die Trauerfeier, bei der Verwandte und Freunde über Orian Stechapfel geredet hatten, als wäre er ein junger Fürst Rose gewesen und nicht das fiese kleine Schwein, das er in Wirklichkeit gewesen war – nach alledem hatte sie gemeint, es würde ihr gut tun, wenn sie mit ihren Freunden irgendwo hinging, wo es laut und dunkel war. Aber letztlich mußte sie sich eingestehen, daß sie die meisten ihrer sogenannten Freunde gar nicht leiden konnte. Und die Begegnung mit Theo hatte ihr den Rest gegeben. Sie hatte ihn praktisch gebeten, sie anzurufen. Was war das für ein Benehmen für eine junge Frau ihres Standes und ihrer Verbindungen? Wahrscheinlich amüsierte er sich gerade mit seinen pöbelhaften Freunden über sie, vor allem mit dieser schnippischen kleinen Fee.
    Malander salutierte ironisch vor dem großen grauen Klotz. »Parole, Leimo?«
    »Überstunden«, knurrte der Leibwächter.
    Poppi ließ ihren schwarzen Spinnwebmantel hinter der Eingangstür fallen. Er war Tausende wert, aber sie hoffte halb, jemand möge ihn stehlen oder wenigstens darauf treten, damit sie eine Ausrede hatte, sich einen neuen kaufen zu gehen. Sie wollte nicht zu Hause sein. Sie haßte das Haus. Andererseits war sie auch nicht übermäßig erpicht darauf, ins Internat zurückzufahren.
    »Übrigens, wer war eigentlich der Bursche, mit dem du unten an der Theke geredet hast?« fragte der junge Fingerhut unvermittelt. »Etwas breit gebaut, komische Frisur. War mir nicht bekannt.«
    »Was, hast du mir etwa nachspioniert?«
    Er blies einen Rauchring in die Luft. »Ich war zufällig auf dem Weg zur Toilette. Liebe Güte, wir sind wirklich ein bißchen egozentrisch heute abend, was? Und ein bißchen verkrampft. Wieso? Ist er vielleicht eine neue Flamme von dir …?«
    Die Frage und die deutlich empfundene Unmöglichkeit, diese Frage auch nur vor sich selbst zu beantworten, hingen noch über ihr wie der Rauchring, als plötzlich die Flurbeleuchtung einmal kurz aufflackerte und dann ausging.
    »Schon wieder so ein verfluchter Störfall.« Malander Fingerhuts scharfe Züge leuchteten auf wie ein roter Schemen, als er an seiner Zigarette zog. »Diese vertrottelten Kraftwerksarbeiter sind einfach nicht in der Lage, ordentlich zu arbeiten. Die gehören mal gründlich ausgesiebt. Bei denen ist seit Jahren schon nicht mehr hart durchgegriffen worden.« Er schlang einen Arm um Poppi. »Keine Bange, ich mache etwas Licht.«
    Zwischen seinen Fingern flackerte lautlos eine Flamme auf, doch Poppi entwand sich seinem Griff. »Ich brauche deine Hilfe nicht, besten Dank.«
    »Du stellst dich heute abend ziemlich zickig an, Pops. Komm, gib mir einen Kuß und laß uns wieder gut sein.«
    Sie zögerte. Sie wußte im Grunde nicht, was sie wollte, und es wäre angenehm, im Arm gehalten zu werden. Lander war nicht der übelste Kerl der Welt, auch wenn er ihr im Moment einigermaßen auf die Nerven ging. Doch als er auf sie zutrat, das tanzende Elementarfeuer zwischen Zeigefinger und Daumen, sah sie in seinem Gesicht einen abstoßend besitzergreifenden Ausdruck, als ob das phosphoreszierende Licht etwas zum Vorschein gebracht hätte, das bis dahin verborgen gewesen war. Er war genau wie sein Vater, jedenfalls würde er sehr bald so sein. Im Grunde war er genau wie ihr eigener Vater oder wenigstens so weitgehend, daß der Unterschied keine Rolle spielte: einer der vielen privilegierten Aristokraten, die die Welt unter sich hin- und herschoben, als wäre sie nur von untergeordnetem Interesse, und die mit dem Leben ihrer Frauen und Diener auf dieselbe achtlose Art verfuhren.
    Die Königin hätte sich das nicht bieten lassen. Es war ein verblüffender Gedanke, weil er

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