Der Blumenkrieg
Vater«, sagte sie. »Wie kann ich mich für die viele Güte und Großzügigkeit, die du mir erweist, erkenntlich zeigen?«
Ein winziges Lächeln umspielte seine Lippen, unverhofft und kalt wie Glatteis auf der Straße. »Du hast die Zunge deiner Mutter. Zu schade, daß sie … daß sie nicht lernen konnte, ihre Impulse besser zu beherrschen. Ich hoffe, du wirst ihr in dieser Beziehung nicht nachfolgen.«
Wohin nachfolgen? In den Tod durch eine Überdosis Philtron, die vielleicht ein Zufall gewesen war und vielleicht auch nicht, ja, die sie sich möglicherweise nicht einmal selbst verabreicht hatte? Wenigstens hat sie gewußt, was Liebe ist. Sogar mich hat sie geliebt. »Nein, Vater. Das möchte ich nicht.«
Sein Lächeln erlosch wie eine schwache Flamme. Es war ein Wunder, daß es überhaupt so lange gehalten hatte. »Wie ich höre, hat dein Freund, der junge Fingerhut, seine Verlobung mit Eisenhuts ältester Tochter bekanntgegeben. Was hältst du davon? Wart ihr zwei nicht … zusammen?«
Sie zuckte die Achseln. Sie wußte wirklich nicht, was ihr Gefühl zu Malander und seiner neuen Tussi sagte, aber viel war es nicht. Es war Poppi mehr als klar, daß die Stadt voll war von Blumenjungen, die ihr an die Wäsche wollten. Was scherte es sie, wer ihre Väter waren? Was scherte sie überhaupt das ganze Theater? Aber vor allem, warum sollte es ihren Vater scheren?
Er lehnte sich zurück. »Genug davon. Du wirst heute auf dein Benehmen achten. Du würdest dir keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn du dich für die Verspätung entschuldigen würdest. Nidrus Nieswurz ist tolerant und hat Verständnis für die Launen von Kindern, aber ein bißchen Höflichkeit hat noch nie geschadet.«
Wieder trat Schweigen ein, das gewohnte Wasser, in dem ihr Vater schwamm wie ein Hai. Der riesige, mit Fenstern gespickte Elfenbeinzahn der Nieswurz-Residenz war inzwischen hoch über den kleineren Gebäuden in Sicht gekommen. Leute auf den Bürgersteigen beäugten die vorbeifahrende Luxuskutsche; Poppi erschienen ihre Gesichter elend, gehetzt. Sie hätte liebend gern die bedrückende Stille mit irgendeiner Lautäußerung verscheucht, aber da war etwas im Verhalten ihres Vaters, das sie nicht recht verstand.
Schuldgefühle? fragte sie sich. Nachdem so viele Unschuldige ermordet worden waren, nachdem er und Nieswurz die Straßen mit Soldaten überschwemmt und das Parlament der Blüten in eine bloße Hundehütte für ihre schwanzwedelnden Speichellecker verwandelt hatten, konnten es da ganz normale Schuldgefühle sein?
Nein. Sie war sicher, daß es das nicht war.
E ine ganze Phalanx von Ogerleibwächtern räumte die normalen Beschäftigten im Foyer des Residenzturmes aus der Bahn, als wären sie Müll, drängte sie vor Fürst Nieswurz an die Wände zurück, der persönlich herabkam, um die Gäste zu empfangen. Das war eine Ehre, die ihren Vater ungemein freute, wie sie deutlich merkte, obwohl der Händedruck, den er mit dem Oberhaupt des Hauses Nieswurz wechselte, eher ein Streifen der Handflächen war – der respektvolle Gruß zweier Raubtiere.
Aber Vater ist das kleinere Tier. Allein wäre er niemals auf so etwas gekommen wie diesen Angriff und hätte auch nicht den Mut dazu gehabt. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort hätte sie Nieswurz für seine Tollkühnheit möglicherweise beinahe bewundert – Skrupellosigkeit hatte etwas –, aber über den Tod von Unschuldigen kam sie nicht hinweg. Und das alles wofür? Mehr Energie, mehr Kraft, mehr Macht für den Mann, der Elfien ohnehin schon weitgehend beherrschte.
Man sah es ihm an. Er trug einen handgenähten Anzug aus sahnefarbener Spinnenseide, an dessen Herstellung wahrscheinlich ein Dutzend arbeitsverpflichteter Querzinnen erblindet waren, und die Haare trug auf er jugendlich modische Art schulterlang. »Poppäa«, sagte er, nahm ihre Hand und musterte sie von Kopf bis Fuß. Seine Haut war kühl und außergewöhnlich trocken. »Jedesmal, wenn ich dich sehe, bist du wieder schöner geworden.«
»Danke sehr, Fürst Nieswurz«, erwiderte sie nach kurzem Zögern. »Ich bedaure die Verspätung. Es … es ist meine Schuld.«
»Es ist das Privileg der Schönheit, andere warten zu lassen«, sagte er so selbstverständlich und freundlich, daß es einen Moment beinahe den Eindruck machte, als schlüge vielleicht doch ein Herz in dieser Brust. Seine schwarzen Augen strichen abermals über sie, langsam, aber nicht ungehörig langsam, und strömten dabei eine Macht aus, die so
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