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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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vermutlich kurz vor dem Angriff herausgekommen. Die Frage war nur, warum die Nieswurzen es noch in ihrem Wartezimmer ausliegen hatten.
    Na klar, sie finden das amüsant, begriff sie und erschauerte abermals.
    »Jungfer Stechapfel? Poppi Stechapfel?«
    Sie schaute auf und wäre fast erschrocken. Der dicht vor ihr stehende junge Mann war so groß, daß sie ihn im ersten Moment für einen Polewiken hielt. Erst als er zurücktrat, sah sie, daß er zwar extrem lang und hager war, mehrere Handspannen größer als sie, aber dennoch nur ein ganz normaler Elf. Dann sah sie sich sein Gesicht genauer an, ausdruckslos wie das eines Alrauns, und ihr kamen wieder Zweifel.
    »Ja, das … die bin ich.«
    »Mein Vater wünscht, daß ich dich herumführe.«
    »Vater? Du bist …?«
    »Antoninus Nieswurz.« Er nickte langsam, als flüsterte jemand ihm Anweisungen ins Ohr, wie er das zu machen habe. »In der Schule haben sie mich Anton genannt. Du kannst Anton zu mir sagen.«
    Wieder wäre Poppi fast erschrocken. Sie kannte den Namen – Fürst Nieswurz’ Ältester hatte zusammen mit Orian die Schule besucht –, war ihm aber bisher noch nie begegnet. In Blumenkreisen hatte er immer als ein wenig ungewöhnlich gegolten. Als ganz junges Mädchen hatte sie sich sogar einmal eingeredet, »ungewöhnlich« müsse »freundlich« bedeuten, und sich kurzzeitig in Phantasien ergangen, Anton Nieswurz werde sie eines Tages in ein wunderschönes Schloß voll singender Vögel entführen. Sie war froh, daß das Mädchen zu einer Frau herangewachsen war, die diese dümmlich glotzende Vogelscheuche anschauen konnte, ohne enttäuscht zu sein. »Hallo, Anton. Du warst, glaube ich, mit meinem Bruder Orian im Internat Wünschelrute.«
    »Ach, ja.« Er nickte wieder. »Orian ist kürzlich ums Leben gekommen, nicht wahr? Wenn ich mich recht erinnere, sagte jemand, er wäre getötet worden.« Sie erwartete, daß jetzt eine Beileidsfloskel kam, doch seine nächsten Worte waren nur: »Komm mit!«
    Während der lieblosen Führung durch die Privatbereiche der Nieswurz-Residenz hatte Poppi Gelegenheit, ihn zu beobachten. Sie konnte nicht genau sagen, was ihn außer seiner polewikischen Statur so merkwürdig erscheinen ließ. Er war ein wenig unbeholfen, vor allem in seinen Umgangsformen, und ein Stein hatte mehr Humor als er, aber sie sah hier und da auch Intelligenz aufblitzen und gelegentlich mehr als nur aufblitzen: Seine Erklärung des komplizierten Spiegelsystems im Haus erschlug sie fast mit Fachwissen und Spezialbegriffen und war viel zu beiläufig, um kalkulierte Angabe zu sein. Irgend etwas jedoch wirkte gestört an ihm, so als ob man ihm irgendwann das Hirn herausgenommen und wieder eingesetzt hätte und die Verbindungen hinterher nicht richtig zusammengewachsen wären. Sein Benehmen war geradezu unheimlich. Es klang beinahe nach echtem Vergnügen, wenn er über unbelebte Gegenstände sprach, vor allem solche gefährlicher Natur, aber er ignorierte nicht nur die grüßenden Angestellten, Diener und weiblichen Familienmitglieder, sondern wie sein Vater schien er ihre Anwesenheit gar nicht mitzubekommen, so als würden sie auf einer Frequenz schwingen, die Poppi wahrnehmen konnte, er aber nicht.
    Schließlich jedoch begegneten sie einem Familienmitglied, das er wahrnehmen mußte – das selbst für ihn nicht zu übersehen war.
    »Du hast eine Freundin bei dir!« Die Frau war scharf, glänzend und schön wie eine Säbelklinge und hatte leuchtend goldene Haare, die eher auf den Kopf eines Bauernmädchens gehört hätten und möglicherweise von dort stammten. Sie trug eine jugendliche Hemd-Hosen-Kombination – vielleicht ein bißchen zu jugendlich, aber das war Poppis Meinung, das harte Urteil der echten Jugend. Poppi konnte die teuren Verjüngungszauber förmlich riechen. Bis jetzt schienen sie zu wirken. »Anton«, sagte die Frau, »du mußt uns miteinander bekannt machen.«
    In seinem Gesicht stritten Gefühle, die sie nicht deuten konnte, doch er sagte nur: »Ja, Mutter. Das ist Poppi Stechapfel.«
    »Oh, natürlich, wir haben uns vor ein paar Jahren beim Mittwinterfest deiner Familie kennengelernt, nicht wahr?« Sie faßte Poppi an den Schultern und hauchte ihr links und rechts einen Kuß auf die Wange, der wie der Stups eines Papageienschnabels war. »Wie schön, dich hier zu sehen! Wie geht es deinen … wie geht es deinem Vater?« Sie hatte sich wohl im letzten Moment erinnert, daß Poppis Mutter tot war.
    »Gut. Er ist gerade mit Fürst Nieswurz

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