Der Blumenkrieg
auch wenn das gewiß der einzige Grund war, daß er sich um sie bemühte. Nachdem seine erste Frau bei Orians Geburt gestorben war, hatte ihr Vater noch dreimal geheiratet, aber zu seiner heimlichen Schande und öffentlichen Verstimmung hatten ihm die nachfolgenden Frauen nur fünf Mädchen geboren. Die anderen vier Töchter waren alle mit Sprößlingen aus den Häusern wichtiger Kunden verheiratet …
Wichtiger Kunden, das reimt sich auf »richtig verbunden«, dachte Poppi.
… aber keiner von ihnen schien der Typ zu sein, den ihr Vater zum designierten Oberhaupt seines Hauses erhoben hätte, das jetzt, nach der Ausrottung der Narzissen, eines der zwei mächtigsten in der Stadt war.
Prima, dachte sie. Hervorragend. Soll doch Lavinias Gatte Steinbrech alles haben. Je schneller er es herunterwirtschaftet, um so glücklicher werde ich sein. Mörder. Sie starrte ihren Vater mit der gleichen emotionslosen Miene an, die er gewohnheitsmäßig aufsetzte. Du und dieses Monster Nieswurz. Ihr habt beide den Tod verdient.
Während dieser gräßliche, kalte Gedanke wie ein Eiskristall in ihr wuchs, fuhr die Luxuskutsche federnd aus der Garage ans Tor vor, wo sie kurz anhielt, um sich weiter auf den Bilsenkrautplatz winken zu lassen. Von der üblichen Horde der Bettler, Demonstranten und Bittsteller war nichts zu sehen, statt dessen war der Platz voll von schwerbewaffneten Parlamentsschützern, ein Zeichen dafür, daß die herrschenden Familien sich ihres Sieges noch nicht vollständig sicher waren. Strasser fuhr langsam, bis die Kutsche mit den Leibwächtern das Wachhäuschen passiert und sie eingeholt hatte.
Endlich brach ihr Vater das eisige Schweigen. »Du hast mich warten lassen.« Mit seiner bleichen Haut, seinen schneeweißen Augenbrauen und seinen dichten, pechschwarzen Locken sah er aus wie eine Marmorstatue, der jemand aus Jux Haare angemalt hatte. »Und weil ich warten mußte, muß jetzt auch unser Gastgeber Fürst Nieswurz warten. Zwei der wichtigsten Männer in ganz Elfien, von deren Worten und Gedanken Tausende abhängen, haben eine halbe Stunde ihrer kostbaren Zeit wegen eines Kükens verloren, das nicht pünktlich sein kann.«
»Meine Idee war es nicht, mitzufahren.« Sie verabscheute den Klang ihrer Stimme, denn wenn sie mit ihrem Vater sprach, schien es für sie nur zwei Alternativen zu geben: entweder das ängstliche kleine Mädchen oder der quengelige verzogene Fratz zu sein. »Wofür brauchst du mich eigentlich?« Du kannst dir doch auch ohne mich neue Methoden ausdenken, Leute umzubringen, wollte sie sagen, ließ es aber. Trotz ihrer rebellischen Ader hatte Poppi immer vor selbstmörderischer Offenheit haltgemacht, aber derzeit fiel es ihr schwerer denn je, den Mund zu halten. Die Nachricht, daß die großen Residenzen vernichtet und die mit ihrem Vater und Nieswurz rivalisierenden Familien wie auch viele hundert andere getötet worden waren, dazu noch die unablässige Diskussion des Themas selbst unter ihren unpolitischsten Freunden, hatten sie tief erschüttert. Obwohl sie gedacht hatte, ihr kurzes Leben hätte sie bereits zur vollendeten Zynikerin gemacht, bereitete ihr das gewaltige Ausmaß der Zerstörung nach wie vor Albträume.
Und alles nur deswegen, weil mein Vater und Fingerhut und dieser Erzbösewicht Nieswurz mehr Macht wollten. Ich habe sie sogar bei der Planung belauscht! Das war in gewisser Hinsicht das Schlimmste daran, obwohl ihr völlig klar war, daß sie nichts hätte tun können oder höchstens dann, wenn sie ganz genau über die Absichten Bescheid gewußt hätte.
»Wofür ich dich brauche?« Bei dem langen Schweigen ihres Vaters hatte sie ganz vergessen, daß sie eigentlich eine Unterhaltung führten oder das, was Fürst Stechapfels kalte Reptilienaugen dafür ansahen. »Mehr hast du nicht zu dem Mann zu sagen, der dir alles im Leben gegeben hat? Dem Mann, der dich in einem Luxus aufgezogen hat, um den dich selbst die Kinder der anderen Adelsgeschlechter beneiden würden?« Er schüttelte den Kopf. »Ich stelle wirklich keine hohen Ansprüche an dich, Poppäa. Daß du dich gelegentlich bei familiären Anlässen sehen läßt. Daß du uns nicht mit schlechtem Benehmen in der Öffentlichkeit bloßstellst. Das ist nicht viel verlangt als Gegenleistung für das Leben, das du geboten bekommst.«
Nein, dachte sie. Das ist nicht viel. Du könntest von mir verlangen, daß ich mich um dich und die Familie bemühe, und das wäre ein Preis, den ich nicht zahlen könnte.
»Nun denn,
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