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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Über die Morde selbst verlautete sehr wenig, nur daß sie »brutal« und »sinnlos« gewesen seien. Mit ihrem scharfen Auge für die wirklich wichtigen Dinge im Leben beschwerte Mrs. Kraley sich auch darüber, daß der Mörder offenbar über den ganzen Rasen und die Veranda Müll verteilt hatte. Die Polizei hatte kein anderes mögliches Motiv als Diebstahl genannt, doch aus dem Artikel ging nicht hervor, ob irgend etwas gestohlen worden war.
    Die Zeitungen wußten sonst nichts zu berichten, und Theo kam sich allmählich ein bißchen nekrophil vor. Er ging zum Mikrofichegerät hinüber, um nachzuschauen, ob es irgend etwas über seinen Großonkel gab.
    Er fand zwei Zeitungsartikel, ein Erfolg, mit dem er gar nicht gerechnet hatte. Der eine war ein Porträt aus dem Examiner, geschrieben in den frühen siebziger Jahren, der andere war der Nachruf auf Dowd. Während Theo den längeren Bericht überflog, etwas mühsam wegen des ungewohnten Weiß-auf-Schwarz der Textwiedergabe, registrierte er mit Erstaunen, wie traurig ihn die Gewißheit machte, daß Eamonn Dowd tot war. Es wäre höchst verwunderlich gewesen, wenn nicht – der Artikel bestätigte seine Vermutung, daß Dowd Ende des 19. Jahrhunderts geboren war, und demnach hätte er über hundert sein müssen –, doch in den vergangenen Wochen hatte Theo ein starkes Gefühl der Verbundenheit mit ihm entwickelt. Der Artikel, kaum mehr als die üblichen Lobhudeleien eines interessanten älteren Mitbürgers, war begleitet von einem Bild seines Großonkels in seinem »Studierzimmer«, wie es in der Unterschrift hieß, doch wegen des Mikrofiches war es im Prinzip ein Negativ, so daß Theo wenig erkennen konnte. Eamonn Dowd schien zum Zeitpunkt der Aufnahme schlank und adrett gewesen zu sein und sah deutlich jünger als siebzig aus, aber richtig sicher ließ sich das nicht sagen.
    Der Nachruf hatte kein Foto – dafür war Großonkel Eamonn denn doch nicht wichtig genug gewesen. Er war überdies nüchtern und knapp. Theo fragte sich, wer ihn verfaßt hatte und warum. War es eine Geste seiner Mutter gewesen, die gemeint hatte, ihm das wegen des Geldes schuldig zu sein? Sie wurde darin erwähnt.
     
    Eamonn A. Dowd, 76
    Abenteurer und Weltenbummler
     
    Eamonn Albert Dowd, der in seinen jungen Jahren ausgiebig die Welt bereiste und in seinem späteren Leben anderen ausgiebig davon erzählte, starb am 30. April in seinem Haus in San Francisco. Er war 76 Jahre alt.
    Mr. Dowd, der für Reisezeitschriften und den Reiseteil unserer Zeitung schrieb und zudem Vorträge in Büchereien und Schulen hielt, ging mit 15 Jahren zur See und verlor nie seine Liebe zu fernen fremden Ländern.
     
    Der Nachruf brachte im weiteren eine verkürzte Version dessen, was Großonkel Eamonn im Notizbuch beschrieben hatte, und endete mit der Angabe, er hinterlasse »seine Nichte Anna Dowd Vilmos aus San Francisco und andere Angehörige in der Chicagoer Gegend«.
    Theo lehnte sich zurück und starrte auf den Bildschirm, obwohl er ihn nicht mehr wahrnahm. »Anna Dowd Vilmos aus San Francisco« – das klang, als entstammte seine Mutter einer berühmten Familie, als gehörte sie zur Schickeria von Nob Hill oder einem ähnlichen Bonzenviertel.
    Der alte Onkel Eamonn war also definitiv tot. Der Nachruf sagte nichts darüber, aber da er zu Hause gestorben war, mußte er einen Schlag oder einen Herzanfall oder etwas in der Art gehabt haben.
    Erfüllt von einer gewissen Unzufriedenheit, obwohl er sich eigentlich hätte freuen sollen, daß er überhaupt etwas gefunden hatte, wo seine Familie doch weiß Gott nicht berühmt war, machte Theo einen freien Computer ausfindig und surfte ein wenig im Internet. Er war nicht hinter mehr Informationen über seinen Großonkel her, denn die gab es nicht, sondern wollte einigen der obskureren Dinge und Orte nachgehen, die in dem Notizbuch vorkamen. Er verlor sich eine Zeitlang im Reich der Online-Elfenkunde, bevölkert von hochgelehrten und unfaßbar leichtgläubigen Leuten gleichermaßen, vor allem aber von überkandidelten Einhornpoeten, die schlicht zuviel Zeit hatten.
    Als er sich schließlich vom Computer losriß, mußte er entdecken, daß die Frau am Informationsschalter zum Mittagessen oder nach Hause gegangen war. Auf jeden Fall war sie von einem unwirsch blickenden Mann mit einem Hörgerät abgelöst worden, was bedeutete, daß er sich mit dem Projekt, sie irgendwohin einzuladen, in Geduld üben mußte, ob es ihm paßte oder nicht.
    Zum Essen machte er bei einem

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