Der Blut-Mythos
nicht um, obwohl er sehr aufmerksam war. Je weiter er kam in Richtung der Wohnwagen und Materialfahrzeuge, um so weniger Betrieb herrschte.
Ein Junge sprach ihn plötzlich an.
Neben einer Wurfbude blieben Shao und Suko stehen, was dem Besitzer nicht gefiel. Er wollte sie sogar wegscheuchen, da sie keine Bälle kauften.
Suko drehte sich um und schaute den Mann an, der nichts mehr sagte. Der kalte Blick des Inspektors hatte ihn zum Schweigen gebracht. Shao war sehr aufmerksam gewesen. Sie hatte John und den Jungen nicht aus den Augen gelassen.
Beide gingen sie weg.
Shao wollte ihnen nach, aber Suko hielt sie fest. »Warte noch einen Moment.«
»Aber wir…«
»Werden sie nicht mehr aus den Augen verlieren, keine Sorge.«
So überzeugt war sie nicht, hielt sich aber mit einem bissigen Kommentar zurück und blieb an Sukos Seite, als sie auf den Wohnwagenpark zugingen.
Der große Lärm blieb zurück. In dieser Umgebung war es wesentlich ruhiger. Man konnte sich wieder normal unterhalten.
Die Luft roch nach Gegrilltem, aber auch nach Öl und Benzin. Eine aufdringliche Mischung.
Der Junge und John Sinclair verschwanden in den Lücken zwischen den Wagen. Für einen Moment wußten Shao und Suko nicht, was sie tun sollten. Sie blieben stehen, und Shao knetete ihr Kinn. »Das hat was zu bedeuten, Suko, der Kontakt ist da.«
»Klar, die andere Seite wird einen Boten geschickt haben.«
»Komm!« drängte Shao, die es nicht länger mehr aushielt. »Ich habe das Gefühl, daß wir bald eingreifen müssen, und ich will John nicht noch einmal suchen.«
Der Weg, den ihr Freund und der Junge genommen hatten, war schnell gefunden. Aber zwischen den Wagen sahen sie im Moment keinen Menschen mehr. An der linken Seite wuchs sogar Wald, so daß die Bäume Schatten spenden konnten.
Shao sagte nichts. Sie schaute Suko nur vorwurfsvoll an, der den Kopf schüttelte. »Es ist nicht meine Schuld!« verteidigte er sich.
»Wir hätten ihm dichter folgen sollen.«
»Das wäre nicht in seinem Sinne gewesen.«
»Und jetzt?« Shao stemmte die Hände in die Hüften, bevor sie sich umschaute. »Was ist jetzt? Nichts, er ist verschwunden, und wir stehen hier herum wie bestellt und nicht abgeholt.«
Die Wohnwagen waren ziemlich durcheinander abgestellt worden, manche näher zusammen, andere weiter auseinander. John hatte keine Spur hinterlassen. Er konnte in jedem der Wagen verschwunden sein.
»Wie geht es weiter?« Shao war noch immer ärgerlich. »Willst du jeden Wagen durchsuchen?«
»Nein. Dazu haben wir kein Recht.« Suko ärgerte sich selbst. Er drehte sich auf der Stelle, suchte nach Hinweisen, überdachte Möglichkeiten und schaute sich dabei jeden Wagen an, der in seinem Sichtbereich lag. Sie sahen wirklich verschieden aus. Moderne standen neben alten, die aussahen wie die Zirkuswagen aus der Vergangenheit und sogar farbig angestrichen waren. Ein bißchen Nostalgie in einer hektischen und modernen Welt.
Sie hörten auch keine Stimmen. Niemand bewegte sich in ihrer Umgebung. Die Stille kam ihnen schon beklemmend vor. Vielleicht auch deshalb, weil der Jahrmarkt so laut war.
Trotzdem hatten sie Glück, denn plötzlich erschien der Junge, der sich mit John getroffen hatte. Er huschte um einen Wagen herum - und erschrak, als er plötzlich vor den beiden Fremden stand. Rasch hatte er sich wieder gefangen, wollte sich an den beiden vorbeidrücken, aber Suko griff zu und hielt ihn blitzschnell fest. So zappelte er plötzlich im Griff des Inspektors, wollte schreien, aber Suko legte einen Finger auf die Lippen.
Shao redete den Jungen an. »Du brauchst keine Angst zu haben. Wir wollen dir nichts tun.«
»Dann laßt mich los!«
»Werden wir auch, aber zuvor haben wir einige Fragen an dich.«
»Ich weiß nichts.« Er war trotz seines Alters schon gut trainiert. Shao behielt ihr Lächeln bei. Sie wußte, wie man einen Schritt weiterkam. Sie holte einen Geldschein hervor und wedelte damit in der Nähe des Gesichts.
»Es muß nicht ohne Gegenleistung sein.« Der Junge beruhigte sich. »Okay, ich werde alles versuchen. Aber der Typ da soll mich loslassen.«
»Nur wenn du vernünftig bist.«
»Bei einem Schein bin ich das immer.« Er wollte danach greifen, aber Shao zog die Hand schnell zurück. »Später. Erst die Arbeit, dann der Lohn, mein Junge.«
»Schade.« Suko hatte ihn losgelassen, und der Kleine rieb seine Schulter. Er war zwischen zehn und zwölf Jahre alt und schien ziemlich gewitzt zu sein. Jedenfalls zeigte das sein
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