Der Blut-Mythos
möchtest nicht hineingehen?«
Suko lächelte. »Auch wenn du von Neugierde zerfressen wirst, Shao, das habe ich nicht vor. John wollte es zunächst allein durchziehen und uns als Rückendeckung haben. Das ist erreicht worden. Ansonsten sollten wir abwarten.«
»Ja, ist gut.« Begeistert war Shao nicht darüber. Sie kleidete es nicht in Worte, aber Suko sah deutlich den Ärger, der sich auf ihrem Gesicht abzeichnete. Es gefiel ihr überhaupt nicht, hier zu warten, eingetaucht in diese beklemmende Stille, denn selbst der Lärm des Rummels war kaum noch zu hören.
Etwas rauschte über die beiden hinweg. Automatisch schauten sie zum Himmel.
Konnte es sein, daß dort ein mächtiger Schatten über die Dächer der Wohnwagen hinweggesegelt war? Jedenfalls hatte sich dort etwas bewegt, sehr schnell bewegt sogar, und jetzt war es wieder verschwunden.
Shao hörte sich selbst schnaufen. »Ich habe mich doch nicht geirrt - oder?«
»Nein, hast du nicht. Da war etwas.«
»Ein Vogel?«
Suko hob die Schultern. »Zu groß für einen heimischen Vogel. Und an einen Adler oder Geier glaube ich nicht.«
»Witzbold.«
Suko blieb ernst. »Ich wollte, es wäre ein Witz, Shao. Ich für meinen Teil glaube, daß es Ärger geben kann. Dieser Schatten war nicht normal. Ich habe auch gesehen, daß er dorthin geflogen ist.« Er drehte sich und wies auf die Baumgruppe.
»Hast du ihn landen sehen?«
Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Leider nicht.«
»Sollen wir nachschauen?«
So wie Shao die Frage gestellt hatte, war sie dafür. Suko überlegte noch einen Moment und dachte darüber nach, was sie falsch machen konnten. Eigentlich nichts, denn im Wagen selbst hatte sich nichts ereignet. Nach wie vor war alles ruhig geblieben.
Shao war schon auf dem Weg. Als wüßte sie genau, daß es zwischen den Bäumen etwas Interessantes zu entdecken gab. Wieder mußten sie über die auf dem Boden liegenden Kabel steigen, und unter ihren Sohlen wurde der Staub in die Höhe gewirbelt.
Der kleine Wald war bereits von der Düsternis umschlossen worden. Zwischen den Bäumen lagerte das schummerige Zwielicht. Es sorgte dafür, daß die Umrisse verschwammen und alles ineinander überging. Eine soßige Dämmerung, in der sich kaum etwas bewegte, denn es war ziemlich windstill.
Shao und Suko waren am Rand des kleinen Walds stehengeblieben. Zu sehen war nichts. Niemand bewegte sich durch die Lücken zwischen den Bäumen. Ihnen wehte nur ein feuchter Geruch entgegen. Auch in den Kronen sahen sie keine Bewegung.
Dennoch strahlte dieser Wald etwas ab, das ihnen nicht gefallen konnte. Es konnte an der Stille liegen, die so bedrückend war, aber auch an der Feuchtigkeit, die ihnen entgegenwehte. Wie hauchdünne Fahnen.
»Willst du ihn durchsuchen?« fragte Shao.
»Wäre nicht schlecht. Nur wüßte ich nicht, wonach ich suchen sollte. Das ist…«
»Da!«
Shao hatte ihn unterbrochen. Zugleich war ihr Arm in die Höhe geschnellt. Sie streckte den Zeigefinger aus und wies auf eine bestimmte Stelle. Aber der Arm blieb nicht starr. Er wanderte zur linken Seite hin, denn der ausgestreckte Finger verfolgte etwas Bestimmtes, das sich ebenfalls in der Dunkelheit bewegte.
Etwa in Kopfhöhe huschte ein roter Schein durch die Dunkelheit. Es sah aus, als hätte jemand mit einem schnellen Pinselstrich rote Farbe in die Luft gemalt.
Keiner von ihnen kam damit zurecht. Es blieb ihnen nur das Kopfschütteln. Wenig später war der rote Schein auch wieder verschwunden.
»Geirrt haben wir uns doch nicht - oder?« fragte Shao.
»Nein, bestimmt nicht.«
»Bleiben wir und warten, bis er wieder auftaucht?«
»Nein, wir…«
Wieder wurden Suko die Worte vom Mund gerissen, denn plötzlich war der Schatten wieder da. In Deckung der Bäume hatte er sich in die Luft geschwungen und segelte mit weiten Schwingenschlägen über den kleinen Wald hinweg.
Beide wußten nicht, was das Ziel dieses ›Riesen-Vogels‹ war, aber sie hatten das Wesen erkannt, obwohl es ihnen im ersten Moment unglaublich erschien. Es war eine übergroße Fledermaus, zwischen deren Schwingen es wie ein Fanal leuchtete.
Ein Buchstabe.
Ein rotes D!
»Das ist er!« flüsterte Shao. »Verflucht noch mal, das ist er! Suko, das ist Dracula II!«
Suko stimmte ihr durch ein Nicken zu. Er war schnell, denn er wußte, was dieser verdammte Vampir vorhatte. Sein Ziel war der Wohnwagen, in dem sich auch John Sinclair aufhielt, der natürlich ahnungslos war.
Beide ärgerten sich darüber, daß sie sich hatten
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