Der Blut-Mythos
ich Ihnen versprechen.«
»Ich sehe aber keinen Weg, verflucht noch mal! Ich sehe überhaupt nichts. Nicht mal die Hand vor Augen.«
»Seien Sie tapfer!« sagte Shao ironisch. »Sie sind doch sonst immer der große Macho und Aufreißer.«
»Ach, leck mich doch…«
Danach wurde Cern still. Nur seine heftigen Atemzüge waren zu hören. Dazwischen auch ein hin und wieder länger anhaltendes Stöhnen, und dann knirschte er mit den Zähnen.
Suko spürte, wie er von Shao angestoßen wurde. »Ist es wirklich besser, wenn wir hier im Dunkeln stehen und einfach nur abwarten?«
»Ich denke schon«, meinte Suko. »Die Kälte ist unnatürlich, und sie ist geblieben. Sie muß einen Grund haben, etwas anderes gibt es einfach nicht. Da ist etwas in Bewegung geraten. Denk daran, daß John von diesem echten Blut-Mythos gesprochen hat.«
»Und den erwartest du hier?«
»Ja.«
Shao sagte nichts mehr. Nur von Gunnar Cern war etwas zu hören, denn er konnte seinen Atem noch immer nicht unter Kontrolle halten. Er murmelte auch einige Worte vor sich hin, die weder Shao noch Suko verstanden. Ansonsten blieb er auf seinem Platz stehen.
»Auch John hat von dieser Kälte gesprochen«, wisperte Suko. »Ich habe sie gespürt, und ich kann dir sagen, daß sie nicht normal ist. Da kommt etwas…«
»Es ist da!« hauchte Shao.
»Was?«
»Ich habe den Hauch gespürt. An meinem Gesicht. Wie Finger, die tasteten.«
»Bleib nur stehen.«
»Klar, was sonst?«
»He, was habt ihr da zu flüstern?« meldete sich Gunnar Cern. »Ist was passiert?«
Eine Antwort erhielt er zwar, aber auf eine völlig andere Art und Weise, als er es sich gedacht hatte. Plötzlich durchdrang ein scharfes Pfeifen die Luft. Begleitet von einem eisigen Hauch, der sich blitzschnell überall ausbreitete.
Reagieren konnte keiner von ihnen. Sie sahen nur zu, wie für einen Moment an dem Ort, wo das Hologramm entstanden war, ebenfalls die Gestalt des alten Vampirs erschien, allerdings nicht mehr hockend oder in trübe Gedanken versunken, sondern aufrecht und so klar konstruiert wie ein Mensch.
Er war nicht allein.
Ein blondhaariger Mann befand sich in seiner unmittelbaren Nähe. Er tauchte für einen winzigen Moment auf und war im nächsten Augenblick wieder verschwunden.
John Sinclair!
Es war alles so schnell abgelaufen, daß weder Shao noch Suko hatten reagieren können. Der Vampir und auch ihr Freund John Sinclair hatten in dieser Zeit nur einen kurzen Zwischenstopp eingelegt und sich dort materialisiert, dann waren sie wieder weg gewesen. Zudem begleitet von einer zweiten und dritten Gestalt.
Dunkel gekleidet. Mehr ein Schatten. Ein Gesicht mit einem blutigen D auf der Stirn.
Auch eine Frauengestalt war zu sehen gewesen, die weder von Shao noch von Suko erkannt worden war.
Vorbei…
Nichts geschah mehr. Bis auf die Tatsache, daß sich die Dunkelheit wieder auflöste und das indirekte Licht seinen Schein abgeben konnte. Der Vampir als Hologramm war allerdings nicht erschienen. Es blieb einzig und allein das Licht.
»Sie sind wieder zurück«, sagte Suko leise. »Wo immer sie auch gewesen sein mögen, John ist bei ihnen.«
»Hast du diese Uhr gesehen?«
»Habe ich.«
Shao rieb ihre Handflächen an der Kleidung trocken. »Sie muß eine verdammt wichtige Rolle spielen, denke ich mir. Die gehört zu dem Vampir, er ist ja schließlich der Blut- oder der Zeit-Mythos. Er kann damit reisen, Suko.«
»Stimmt.«
»Glaubst du wirklich, daß sie jetzt hier in der Nähe bleiben? Oder war das nicht mehr als eine Zwischenstation?«
»Sie bleiben. Das Hologramm ist verschwunden. Ich habe den Eindruck, als wäre hier etwas Endgültiges geschehen. Auch Dracula II ist in diesen Zeitstrom hineingeraten, genauso wie diese junge Frau, die ich nicht kenne. Es ging auch alles zu schnell.«
»Aber ich kenne sie!« meldete sich ein völlig entnervter Gunnar Cern. »Zwar habe ich sie nur kurz gesehen, doch ich weiß genau, wer sie ist. Marita, die Wahrsagerin, die mich auf die Idee gebracht hat, den alten Vampir hier als Hologramm erscheinen zu las sen. Sie hat ähnlich gesprochen wie Sie. Marita war davon überzeugt, daß er nicht nur eine Legende ist. Daß es ihn in der Wirklichkeit gibt, was ich natürlich nicht glauben konnte. Scheiße! In was bin ich da nur hineingeraten?«
Weder Shao noch Suko gaben ihm eine Erklärung. Der Inspektor sagte nur: »Wir können gehen.«
»Wie?«
»Ja, von hier verschwinden.«
»Und wie geht es weiter?«
»Das liegt nicht in Ihrer
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