Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Angehörigen heißt man gemeinhin in deutschen Landen Ägypter.«
»Fahrendes Volk also«, stellte Barbarossa mit einem Seitenblick auf Beatrix, die diesem nicht auswich, sachlich fest.
Rupert bestätigte die Feststellung.
»Fahrendes Volk, das stimmt, mein Kaiser. Dennoch kein Freiwild, das anderen mit Leib und Leben zur Verfügung steht.«
Der Erzkanzler mischte sich ein.
»Erlaubt einen Einwand, Majestät.«
Er gab seinen warmen Platz am Glutbecken auf, trat hinter den Stuhl Barbarossas. Absolute Stille herrschte im Saal, solange er gedämpft murmelnd auf ihn einsprach. Mit Ausnahme von Beatrix konnte dabei niemand verstehen, was er sagte.
Kein Wort fiel anschließend zwischen Barbarossa und Beatrix, aber der Kaiser machte einen grimmigen Eindruck, als er seine Entscheidung verkündete.
»Wir wünschen diese Angelegenheit im Rat zu besprechen und die nötigen Auskünfte einzuholen, ehe Wir eine Entscheidung treffen. Der Gerichtstag ist damit für heute beendet. Ihr folgt Uns, Urach!«
Zwei Männer der kaiserlichen Wache kreuzten die Lanzen hinter Rupert. Der ihn fixierende Blick des Erzkanzlers verhieß nichts Gutes. Er musste sich zwingen, sein Unbehagen zu kaschieren.
In dem geräumigen Gemach, in das Rupert beordert worden war, herrschte abwartende Stille. Clementia stand zwischen ihrem Mann Heinrich dem Löwen und ihrem Bruder Berthold. Beatrix hatte ihren Platz neben Barbarossa. Der Erzkanzler lehnte mit dem Rücken an der Rundbogenpforte, als wolle er den Eingang bewachen.
»Der Kanzler hat Uns nahegelegt, Euch zunächst im engsten Kreis anzuhören. Ist Euch bewusst, dass es sich bei der Beklagten um eine Magd der Königin handelt? Dass die Königin selbst den Kanzler gebeten hat, die Magd festzusetzen, weil sie von ihr bespitzelt wurde?«
»Es ist mir wohl bewusst, Majestät, doch erlaubt mir, dass ich schildere, wie es dazu kam, dass die Beklagte in die Dienste der Königin genommen wurde, und warum sie verdächtigt wird, sie zu bespitzeln«, entgegnete Rupert.
Eine Geste des Kaisers erlaubte ihm fortzufahren, und obwohl er Alizas Verteidigung anders geplant hatte, begann er mit deren Tanz in Würzburg, mit dem sie seine Aufmerksamkeit so nachhaltig gefesselt hatte.
Im Verlaufe der Schilderung reagierten die Zuhörer höchst unterschiedlich. Die einen ungläubig, andere mit Empörung. Die Arme verschränkt, die Miene steinern, folgte Barbarossa konzentriert Ruperts Bericht. Selbst die unverblümte Offenlegung der Tatsache, dass Aliza sich ihm zur Mätresse andienen sollte, um ihn politisch zu beeinflussen, entlockte ihm keine sichtbare Gefühlsregung.
Als Rupert zum Ende kam, war es ausgerechnet Heinrich der Löwe, der sich als Erster äußerte – mit einem lauten Lachen. Berthold, dessen Gesicht deutlich an Farbe verloren hatte, beließ es bei einem vorsichtigen Kopfschütteln.
»Welch eine Geschichte, wahrhaftig!«, dröhnte Heinrich. »Zugegeben, wenn die Beklagte das Ägypterweib ist, das ich in Regensburg ebenfalls kennengelernt habe, so ist sie verführerisch genug, um eine Gefahr für jeden Ehefrieden darzustellen, aber was soll diese Verschwörungstheorie? Ihr macht Euch lächerlich, Urach.«
»Gestattet! In Donaustauf wurden mehr als zwei Dutzend Unschuldige hingeschlachtet, was ist daran lächerlich, Euer Gnaden?«
»Wir werden dieses Unrecht ahnden«, fuhr Barbarossa dazwischen. »Was habt Ihr im Übrigen vorzubringen, Herzog? Bleibt bitte sachlich.«
»Es sind Hirngespinste, mein Kaiser«, kam Berthold seinem Schwager zuvor. »Ich bin außer mir. Nie zuvor hat mich ein eigener Vasall derart verleumdet. Nie habe ich den Befehl gegeben, die Ägyptersippe abzuschlachten. Und dass ich dieses Weib, das ich nicht einmal kenne, zu Hurendiensten verpflichtet haben soll, könnt Ihr ernsthaft nicht glauben. Auch habe ich dazu keinen Auftrag gegeben. Leider kann Kuno von Vohburg sich nicht mehr gegen diese Lügen verteidigen. Ich weiß nicht, was sich Urach von dieser wirren Geschichte erhofft. Wiederholt bedrängte er mich, ihm größere Ländereien zu überlassen und mehr Macht. Ich habe das immer abgelehnt, weil ihm das Format dazu fehlt. Vielleicht erhofft er sich von Euch, was ich ihm mit gutem Gewissen nicht geben kann. Die Ägypterin ist seine Spießgesellin. Glaubt kein Wort!«
Die perfide Verdrehung der Tatsachen ließ Rupert nicht an sich halten. »Kuno von Vohburg mag eines gewaltsamen Todes gestorben sein, aber er ist kein Märtyrer. Er hat Alizas Schwester gezwungen,
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