Der Blutfluch: Roman (German Edition)
froh, dass ich mich um dich kümmere. Wenn es die Männer tun, ist es um deine Freiheit und deine Unversehrtheit geschehen. Du solltest mir dankbar sein, statt mir zu widersprechen. Meine Hilfe ist uneigennützig.«
Aliza musste sich an der Tischkante festhalten, dennoch flammten ihre Augen gerötet und wütend im Dunkel der Mönchskapuze.
»Hilfe, die mir nur zuteil wird, wenn ich sklavisch gehorche und mich selbst aufgebe, will ich nicht. Auch habt Ihr mir meine Frage nicht richtig beantwortet. Weshalb ist Rupert von Urach im Kerker?«
Im Gegensatz zu Hildburg, die vor Entsetzen über so viel Aufsässigkeit nach Luft schnappte, bewahrte Clementia kühle Überlegenheit.
»Wenn du so viel Wert auf die Wahrheit legst, sollst du sie hören. Aber beschwer dich nicht darüber, wenn sie dir missfällt«, entgegnete sie gefährlich leise. »Der Uracher ist unter Arrest, weil er vor dem Kaiser Klage gegen Berthold von Zähringen geführt und dessen Pläne verraten hat. Er hat seinen Lehnseid gebrochen und seine Ritterehre verspielt. Die Tat eines wahren Narren. Ist dir klar, dass er seine Zukunft für dich verspielt hat?«
Aliza hatte sie keinen Lidschlag lang aus den Augen gelassen und dabei etwas völlig Unerwartetes entdeckt.
»Ihr zürnt ihm nicht, weil er das getan hat, sondern weil er es für mich getan hat.«
»Bist du verrückt?« Clementia stützte sich auf die Armlehnen des Stuhls und richtete sich hoheitsvoll auf.
»Du kommst dir wohl sehr schlau vor, Mädchen. Lass dir eines gesagt sein: Du magst ihn dazu gebracht haben, dass er sich wie ein Dummkopf gebärdet, aber willst du ihn etwa fürs Leben? Er hat deine Schwester ermordet, meine Liebe. Sizma wurde durch sein Schwert getötet. Gefällt dir, was er da für dich getan hat?«
Im Schutze ihrer Kapuze schloss Aliza die Augen und senkte den Kopf. Sizma war tot? Gestorben von Ruperts Hand? Sie wartete auf das Entsetzen, die Trauer, aber in ihr war nur Kälte. Eis.
Hinter ihr ging im selben Moment die Tür auf, krachte gegen die Wand, und eine dröhnende Männerstimme übertönte den Lärm: »Was zum Henker hat das zu bedeuten? Was tut der Mönch um diese Zeit in deinem Schlafgemach?«
Etwas fiel hart auf Alizas Schulter, dann schlossen sich Hände um ihren Hals und drückten unvermittelt zu. Sie bekam keine Luft mehr. Vor ihren Augen verschwamm die Umgebung.
Zwölftes Kapitel Erinnerungen
Rupert von Urach
Villa Lutra, 10. Januar 1157
Z ischend erlosch die Fackel. Rupert senkte die Stirn gegen das Gitter.
Ewig konnte ihn der Kaiser nicht ohne förmliche Anklage einkerkern. Obwohl seine Vernunft ihm dies sagte, brach ihm in der Dunkelheit der Schweiß aus. Sein Herz begann zu rasen. Der Kampf begann.
Er hätte nicht sagen können, ob Stunden oder Tage verstrichen waren, bis sich die Gittertür auftat und zwei Bewaffnete ihn ergriffen, weil er in der ersten Überraschung nicht fähig war, einen Schritt zu tun. Beschämt versuchte er unterwegs, sich von Stroh und Staub zu säubern und das Haar mit den Fingern aus dem Gesicht zu kämmen.
Der Erzkanzler erwartete ihn zu ebener Erde. Ein wortloses Nicken war sein Gruß, und auf eine Erklärung wartete Rupert vergeblich.
Zu seiner Überraschung war es früher Morgen, als er, bewacht von zwei Reisigen, hinter ihm ins Freie trat. Die endlose Qual der Nacht hatte in Wirklichkeit nur wenige Stunden gedauert. Er konnte es kaum fassen.
In dieser Zeit war das Wetter umgeschlagen. Es taute. Aus allen Wasserspeiern tropfte es leise plätschernd. Auf dem Hof hatten sich bereits große Pfützen gebildet. Böiger Westwind fegte um die Ecken.
Gierig sog Rupert die feuchte Luft in die Lungen. Dankbar spürte er dem Wind nach, der ihm das Haar aus der Stirn blies. Insgeheim wappnete er sich für die Auseinandersetzung, die ihm zweifellos bevorstand. Dass sie nicht zum Palas der Pfalz gingen, sondern in Richtung der Burgmannenhäuser und dort zur vorübergehenden Residenz Heinrichs des Löwen, deutete auf eine neuerliche Konfrontation mit allen Beteiligten hin.
Gleichen Weges begegneten sie dem Kaiser und der Königin, begleitet von einem Dutzend Bewaffneter.
»Wir wünschen, dass Ihr teilhabt an Unserer Urteilsfindung, Ritter von Urach. Wir sehen, Ihr seid auf dem Weg.«
»Zu Euren Diensten, Majestät«, entgegnete Rupert.
Barbarossas Miene ließ nicht erkennen, wie das Urteil ausfallen würde. Beatrix hingegen schien ihm deutlich blässer als sonst.
»Öffnet die Tür!«
Die doppelflügelige Pforte des
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