Der Blutfluch: Roman (German Edition)
ob man sie den Raben zum Fraß vorgeworfen hat.«
»Sie wurde in allen Ehren bestattet«, erwiderte Rupert eilig. »In Donaustauf hast du mir erzählt, wie ihr die Toten ehrt und dass es euch wichtig ist, sie in geweihte Erde zu betten. Clementias Kammerfrau hat Sizma gewaschen, gekleidet und ihr den Schmuck angelegt, den Wolf für sie bewahrt hatte.«
»Und wo kann ich ein Gebet für sie sprechen?«
»Komm mit.«
Aliza folgte ihm, erstaunt, dass er sie nicht in Richtung Ausgang, sondern zurück zum Altar geleitete. Vor dem schlichten Steintisch, der das Allerheiligste trug, wandte er sich nach links und wies stumm zu der Steinplatte, vor der er gebetet hatte.
»Das ist unmöglich. Ihr spottet über mich. Kein Kirchenmann würde eine Tamarafrau neben Wolf von Rheinau zur letzten Ruhe betten. Schon gar nicht in der Pfalz des Kaisers«, zischte Aliza erregt. »Das ist niemals ihr Grab.«
»Das ist Wolfs Grab, und sie liegt an seiner Seite«, entgegnete Rupert geduldig. »Ich hoffe, die beiden finden sich im Jenseits glücklicher vereint als auf Erden. Du hast es Clementia zu verdanken, dass Sizma weder beleidigt noch geschändet wurde. Ihr war zwar zum Selbstschutz zuvörderst daran gelegen, den Skandal in Grenzen zu halten, aber sie wollte auch Wolf und Sizma den letzten Respekt nicht verwehren. Wolf hat Sizma über Standesgrenzen hinweg geliebt. Es war Kuno von Vohburg, der sich über alle Befehle hinwegsetzte und …«
»Ich weiß«, fiel Aliza ihm seltsam gereizt ins Wort. »Clementia tut Gutes stets auf eine Weise, die es einem schwer macht, ihr dafür zu danken.«
»Vielleicht weil sie nicht daran gewöhnt ist, dass man ihr dankt«, antwortete Rupert spontan. »Sie führt kein leichtes Leben an der Seite des Löwen.«
Aliza beugte sich und strich mit den Fingerspitzen sanft über den namenlosen Stein. Kein Laut drang über ihre Lippen. Rupert fühlte sich gedrängt, auch die letzte traurige Wahrheit preiszugeben.
»Wolfs Name wird allein auf dem Stein stehen müssen, Aliza.«
»Ich weiß. Die Priester taufen unseresgleichen, aber wenn wir die Erde verlassen, verschließen sie ihre Gottesäcker für uns. Von mir wird niemand erfahren, wo Sizma ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Es genügt, wenn ich es weiß.«
Sie sah traurig aus, aber nicht zornig, als sie sich an die Tote wandte. »Ich wünsche dir von Herzen, dass du Frieden findest, Sizma. Wenn ich dir Unrecht getan oder Leid zugefügt habe, so bitte ich um Vergebung. Der Blutfluch musste sich erfüllen.«
»Vergiss diesen abergläubischen Blutfluch.« Rupert klang grimmig. »Es war Sizmas ungestümes, feuriges Temperament, das sie in den Tod getrieben hat.«
»Ja, sie brannte wie ein Feuer und wurde gelöscht. Ihr habt ihr zum ewigen Frieden verholfen. Sie müsste Euch dafür danken.«
»Sie … sie hat es getan«, entschied sich Rupert, Sizmas letzte Seufzer preiszugeben. »
Ich habe den Tod ersehnt, danke,
waren ihre Worte. Aber das ändert nichts daran, dass es mein Schwert war, das ihr Leben ausgelöscht hat. Die Schuld wird immer auf meinem Gewissen lasten.«
»Und ihr Unglück auf dem meinen.«
Mit einer fließenden Bewegung erhob sich Aliza und trat vor Rupert.
»Sie hat mir zu Recht immer die Schuld daran gegeben, dass man uns beiden die Stammeszeichen einer Tamara-Frau verweigerte. Es machte uns inmitten der anderen Mädchen zu Außenseiterinnen. Dabei wollten wir immer nur das eine: dazugehören.«
Rupert hob unwillkürlich die Hand zu einer Berührung des Trostes. Im letzten Moment entschied er sich dagegen, weil er fürchtete, sie würde zurückschrecken. Stattdessen versuchte er Trost mit Worten zu geben.
»Du bist keine Außenseiterin mehr. Du bist jetzt Adeliza von Zähringen.«
»Denkt Ihr, daran liegt mir etwas? Bin ich nicht als Adeliza von Zähringen mehr Außenseiterin als je zuvor? Denkt Ihr, man würde mich am Hof je als eine von Zähringen akzeptieren?«
Rupert musste ihr zustimmen und blieb ihr die Antwort darauf schuldig.
»Wie also stellst du dir dein Leben vor?«, fragte er stattdessen. »Ein Kloster hast du ebenfalls abgelehnt. Wo willst du deine Tage verbringen?«
»In Burgund.«
Sprachlos suchte Rupert in ihren Augen nach Gründen für diesen unerwarteten Sinneswandel.
Mit sich überschlagenden Worten erklärte sie ihren Entschluss.
»Die Königin sagt, dass Ihr dort für den Kaiser eine Festung und eine Siedlung anlegen sollt. Ich weiß nicht, wie man Burgen baut und Land besiedelt, aber mein
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