Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Verwandten?
Beatrix dankte dem Fürstbischof leise für seine Auskunft und ließ die Herzogin nicht aus den Augen. Sie zupfte Fasern aus der Stickerei ihres Bliauts und zeigte auch sonst Zeichen von Nervosität. Als Rupert von Urach im zweiten Durchgang schwankte und nur mit Mühe einen Sturz vermeiden konnte, falteten sich ihre Hände sogar zum Gebet. Sein knapper Sieg entlockte ihr einen freudigen Ausruf. Deutlich zeigte sie, wem ihre Sympathie galt. Dem Edelmann von geringem Rang und Vermögen.
Zugegeben, der Ritter war von angenehmem Wesen und sein Äußeres gefiel, dennoch fand Beatrix es befremdlich, dass die sonst so beherrschte Fürstin seinen Kampf so erregt verfolgte. Unzweifelhaft hatte sie eine Schwäche für den jungen Ritter, während ihr Mann ein Abenteuer mit dessen Herzensdame suchte. Welch absurde Situation. Oder hatte Heinrich die Suche nach Aliza längst aufgegeben?
Es gab niemand, den sie fragen konnte. Sie war auf ihren Instinkt angewiesen, der ihr sagte, er sei kein Mensch, der schnell aufgibt. Wie Aliza. Je mehr Zeit sie mit ihr verbrachte, desto rätselhafter wurde sie ihr. Auch in ungefärbter Wolle, die Haare unter einem festen Gebände verborgen, hätte Beatrix sie nie für eine Magd oder gar für eine Kesselflickertochter gehalten. Sie hatte sich als klug erwiesen, fesselte durch ihre Anmut, konnte sich unauffällig machen, indem sie den Blick senkte und schwieg. Bisher hatte sie sich gut bei ihr eingefunden. Wie es sein würde, sollte sie in die festen Strukturen eines Burg-oder Pfalzhaushalts eingeordnet werden, wagte Beatrix nicht vorherzusagen.
Auf den Bänken der Edeldamen machte sich indessen Unruhe breit. Der Höhepunkt des Tages nahte. In zwei Mannschaften eingeteilt, traten die Ritter in der finalen Schlacht mit Lanze und Schwert gegeneinander an. Herolde verkündeten die Kampfbedingungen, nannten die Preise für die Sieger.
Ehe die bunte Kordel fiel, die, quer über den Platz gespannt, die beiden Mannschaften trennte, fand eine genaue Waffeninspektion statt. Ausschließlich Turnierlanzen und stumpfe Schwerter waren bei dieser Schlacht erlaubt. Der Kaiser wollte kampferprobte, keine toten Ritter.
Fanfarenstöße machten dem Warten ein Ende. Gebrüll, Zuschauerlärm, Pferdewiehern und Waffengeklirr verbanden sich zu einem ohrenbetäubenden Konzert der Gewalt. Es setzte Beatrix so zu, dass das Echo ihre Schädeldecke zu sprengen drohte. Einzelheiten verschwammen gnädig vor ihren Augen, während sie mit zusammengebissenen Zähnen Haltung wahrte. Die darauffolgende Siegerehrung und das anschließende Fest konnten die schrecklichen Bilder des Nachmittags nicht mehr auslöschen.
»Alles ist Krach und Gewalt«, gestand sie Aliza am späten Abend. »Sogar die Musik war zu laut. Fanfaren, Flöten, Hörner und Trommeln spielten in solcher Vielzahl auf, dass ein Instrument das andere besiegte. Ein Krieg der Klänge. Einem Sänger, der sich, wie im Burgundischen, auf seiner Laute begleitet, würde im Deutschen Reich vermutlich keiner zuhören.«
»Jede Gegend feiert auf ihre Weise«, gab Aliza zu bedenken. »Aber ich weiß, was Ihr empfindet. Auch mir ist der melodiöse Gesang einer einzelnen Fidel lieber. Milosh beherrschte die Fidel meisterhaft.«
»Wer ist Milosh? Dein Liebster?«
Sie sah Aliza bleich werden und um eine Antwort ringen. »Ein Stammesbruder. Er ist tot.«
»Willst du mir von ihm erzählen?«
»Nein.«
Immer wieder endeten Gespräche mit Aliza an einem solchen Nein. Alizas Stolz riet Beatrix, es hinzunehmen, auch wenn ihre Neugier weiterfragen wollte und sie sehr wohl ein Recht auf Antwort hatte. Aliza vergalt ihr die Besonnenheit mit Anteilnahme.
»Es ist nicht nur das Heimweh, die Sehnsucht nach dem Wohlklang der Laute. Was bedrückt und betrübt Euch wirklich?«
»Um mir zu helfen, Aliza, müsstest du Friedrich heißen. Er ist mein Mann, aber er meint, er müsste mir mehr ein Vater sein. Sieh mich an. Er schickt mich schlafen, statt bei mir zu bleiben«, antwortete sie ohne Zögern.
»Alle sind sich darin einig, dass er Euch liebt. Seine Zurückhaltung ist ein Beweis von Behutsamkeit. Er will Euch mit seiner Begierde und seinem Wunsch nach einem Erben nicht überfordern. Es gibt nur wenige respektvolle Männer wie ihn.«
»Pah!« Erschrocken über die eigene Unbeherrschtheit, sprach Beatrix dennoch aus, was sie bewegte. »Ich will nicht nur Respekt von ihm, sondern seine Liebe. Ist das so schwer zu verstehen? Nur er kann mir Burgund und meine Familie
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