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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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hasserfüllt. Immer noch wegen Wolfs brutaler Behandlung oder weil sie am Ende doch gelauscht hatte?
    »Hier!« Krachend setzte Sizma ihre Last auf dem Tisch ab, tänzelte zum Bett und ließ sich vom Rand nach hinten auf die Unterarme fallen. Den Kopf in den Nacken gelegt, beobachtete sie die Ritter lauernd.
    Wie sollte Rupert unser diesen Umständen Wolfs endgültiges Einverständnis bekommen?
    »Du bist der Unabhängigste von Bertholds Freunden. Er hört auf dein Wort, weil du ohne zwingende Lehnsverpflichtung zu ihm stehst. Alle sagen, nur du kannst bei ihm erreichen, dass er seinen Drang nach Rache zügelt. Seit kurzem weicht er Heinrich kaum mehr von der Seite. Schon gibt es erste Gerüchte um einen antistaufischen Machtblock aus Welfen und Zähringern. Barbarossa ist kein Narr. Er wird ein solches Bündnis nicht zulassen, wird Berthold überlisten. Darauf zu bauen, dass der Kaiser den Dingen seinen Lauf lässt, weil er die Zähringer Truppen für den geplanten Italien-Feldzug braucht, ist einfältig.«
    »Niemand kann Berthold aufhalten, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat«, antwortete Wolf undeutlich, weil er unterdessen den Mund voll gebratenem Speck hatte. »Erinnere dich nur an den Vertrag, mit dem er Barbarossa den Beistand seiner Streitmacht zusicherte. Alle haben ihm seinerzeit erklärt, es sei ein Ding der Unmöglichkeit, tausend gepanzerte Reiter in so kurzer Zeit zu mobilisieren, und wenn Barbarossa es von ihm verlange, müsse es sich um eine Falle handeln. Er hat dennoch sein Siegel unter den Vertrag gesetzt.«
    »Eben deswegen musst du auf der Stelle mit mir kommen«, forderte Rupert drängend. »Ich habe dir meinen Plan geschildert. Ich brauche deine Hilfe.«
    Ihre Blicke trafen sich. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als er Wolfs langsames Nicken sah.
    Aliza
Kreuzhof bei Regensburg, 16. September 1156
    D ie Spielsteine aus Elfenbein waren Meisterwerke der Schnitzkunst. Obwohl nur wenig größer als ihre Daumenkuppen, konnte Aliza zwei Menschen im Relief erkennen, die nebeneinander knieten. Sie falteten die Hände im Gebet. Ein Buchstabenkreis, dessen Sinn ihr verborgen blieb, umgab die Figuren.
    Das Spielfeld war gerahmt in geschnitztem Buchenholz. Es zeigte helle und dunkle aufeinander zulaufende Pfeile, in edlen Hölzern meisterhaft gefügt.
    Das Würfelspiel, das man damit spielte, nannte Beatrix Tric-Trac. Würfelglück und Geschick mussten eine besondere Verbindung eingehen, wollte man – wie Beatrix – fast jede Partie gewinnen.
    Sie hatte es aus Burgund mitgebracht, und alle schätzten es.
    Aliza legte nach dem gerade beendeten Spiel jeden einzelnen der fünfzehn weißen und fünfzehn schwarzen Spielsteine sorgsam in die Schatulle. Sie kannte keinen Gebrauchsgegenstand, bei dem sich Nutzen und Schönheit zu solcher Vollkommenheit verbanden. Erst bei Beatrix erfuhr sie, dass es Dinge gab, die nicht nur einen Zweck erfüllten, sondern auch das Auge erfreuten. Sie musste an Miloshs Fidel denken. Sie war auch so ein Gegenstand. Dass sie das nie wahrgenommen hatte. Wer führte wohl jetzt den Bogen auf dem schönen Instrument?
    »Herzogin Clementia mit diesem Spiel in die Enge zu treiben, ist mir jedes Mal ein besonderes Vergnügen«, lachte Beatrix. »Du hättest ihr Gesicht sehen sollen, wenn sie verlor. Als hätte sie eine fette Spinne entdeckt. Ich fürchte, mein Lachen hat sie gekränkt. Diese Frau scheint in ihrem ganzen Leben noch nie von Herzen gelacht zu haben.«
    »Vielleicht hat man ihr nie einen Grund zum Lachen gegeben.«
    »Genügt es nicht, einfach am Leben Freude zu haben?« Beatrix wirbelte durch den Raum und breitete die Arme aus. Ihre Fröhlichkeit hatte wieder Oberhand gewonnen. »Es steht doch schon in der Bibel:
Freuet euch in dem Herrn allewege!
«
    »In Eurer Gegenwart fällt es heute auch besonders leicht«, antwortete Aliza spontan, was der Königin ein neuerliches Lachen entlockte.
    Beatrix verstand es meistens, gute Laune zu verbreiten. Sie machte einem damit das Leben leichter, die Sorgen geringfügiger und die Probleme weniger schwerwiegend.
    Ganz konnte indes nicht einmal sie das Gespenst der Furcht vertreiben.
    »Und warum siehst du mich an, als verkörperte ich das Jüngste Gericht, Aliza?«
    »Es ist nicht …« Nein – sie wollte sagen, was sie bedrückte. »Ich musste an einen Mann meines Stammes denken, an seine Fidel. Daran, wer sie jetzt wohl spielt. Er ist tot.«
    »Erzähl mir von ihm«, bat Beatrix. »Die Toten bleiben am Leben, wenn wir uns ihrer

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