Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Jedes Wort, jede Geste? Und die Komödie, die du dem Kaiser vorgespielt hast – er darf dir durch das schöne rote Haar streichen – ich verstehe. Hast du schon das Lager mit ihm geteilt?«
Obwohl ihr das Blut in den Kopf stieg und alles in ihr danach drängte, sich zu rechtfertigen, blieben Alizas Lippen verschlossen. Sie hatte sich von Anfang an unter falschen Bedingungen eingeschlichen. Keine Erklärung konnte das entkräften.
»Du schweigst? Lacht ihr hinter meinem Rücken über mich, der Zähringer und du? Treibst du es auch mit ihm? Was habt ihr als Nächstes vor? Der Kaiser soll die burgundischen Angelegenheiten wieder in seine Hände legen. Ach ja, und welche Rolle spielt Clementia in dieser hässlichen Komödie? Sie wollen wir doch bei allem nicht vergessen.«
»Verzeiht …«
»Natürlich. Sie ist Teil eurer Intrige. Warum frage ich überhaupt?«
Die Königin öffnete die Kammertür und wandte sich an die Wachen.
»Schickt nach Eurem Hauptmann. Unverzüglich!«
Das Unabwendbare kam auf sie zu. Aliza war sich dessen ohne Zweifel bewusst. Unabsichtlich tastete sie mit den Fingerspitzen nach dem Mal im Nacken. Sie glaubte, das Teufelsmal zu spüren. Beatrix’ Ruf nach dem Hauptmann überraschte sie weniger, als er den Hauptmann überrascht hatte, der ihn ohne Aufschub befolgen musste.
»Nehmt sie fest«, lautete ihr Befehl. »Und setzt sie hinter Schloss und Riegel. Sie ist beteiligt an einem Komplott gegen den Kaiser und mich. Befragt sie, listet ihre Verbrechen auf, erkundet ihre Auftraggeber und ihre Helfer. Das Urteil fällt danach der Kaiser. Eingeweiht werden darf nur der Erzkanzler. Die Pfalz ist bis unter das Dach voller Gäste. Weder Streit noch Skandal dürfen ihren Aufenthalt in Villa Lutra stören. Ihr seid mir im Wort, Hauptmann.«
Den Anweisungen der Königin folgend, führte man Aliza über die Gesindetreppe ins Freie. Quer über den Wirtschaftshof zerrten sie die Kriegsknechte an der nördlichen Wehrmauer entlang zu einem fensterlosen Rundbau. Seine groben Quader waren offensichtlich älter als die des Palas und der meisten Häuser der Kaiserpfalz.
Aliza traf ein Stoß zwischen den Schulterblättern, der sie hineinbeförderte.
Stolpernd kam sie unter einem niedrigen Gewölbe, das von zwei Pechfackeln Licht erhielt, zum Halt. Ein Kamin, ein Tisch, zwei Bänke und ein halbes Dutzend Bewaffneter empfingen sie. Ein vierschrötiger Bulle mit struppigem Graubart stemmte sich mit den Handflächen auf der Tischplatte hoch und grüßte den Hauptmann ehrerbietig.
»Wen bringt Ihr uns da? Sie sieht nicht aus wie eine Diebin.«
»Sie gehört auch nicht zum üblichen Lumpengesindel. Auf Befehl der Königin ist sie in das tiefste Verlies zu werfen, peinlich zu befragen und in Eisen zu legen. Genauere Befehle erhältst du vom Kanzler.«
»Mit einem so hübschen Ding wüssten wir Besseres«, lachte der Bulle.
»Lass die Späße. Tu deine Pflicht, Kerkermeister«, befahl der Hauptmann kurz angebunden.
Das fensterlose Gemäuer barg also den Kerker. Aliza zerrte aussichtslos an den Lederriemen, die ihre Hände auf den Rücken fesselten. Der Bulle nahm ihre Handgelenke mit einem einzigen Griff in die Zange. Schmerz schoss ihr glühend bis in die Schultern, ihr Blick verschwamm.
»Benimm dich, Mädchen. Du wirst deine Kraft noch brauchen. Bringt sie nach unten.«
Die Fistelstimme des Kerkermeisters schrillte in ihren Ohren. Gleichzeitig wurde sie von zwei anderen Männern an den Oberarmen gepackt und zu einem Durchgang geschleppt, der ihrer Aufmerksamkeit bisher entgangen war. Heftig blinzelnd versuchte sie Einzelheiten zu erkennen.
Einer der Knechte griff sich aus dem Eisenkorb neben der Öffnung eine Fackel und entzündete sie im Kamin. Im flackernden Licht tauchten abwärtsführende Steinstufen auf. In einer Nische am Anfang der Treppe stand ein Weidenkorb mit Lumpen. Der zweite Knecht entnahm ihm ein graues Bündel und verstaute es unter seinem freien Arm. Etwas in seinem Mienenspiel veranlasste den Kerkermeister zu einem Fluch und einer Mahnung.
»Das werdet ihr fürs Erste schön bleiben lassen, habt ihr mich verstanden? Ich will keinen Ärger mit dem Kanzler. Geduld. Sie läuft euch schließlich nicht weg.«
Grölendes Gelächter folgte ihnen die Treppe hinab.
Aliza schmeckte Blut. Sie hatte sich in die Lippe gebissen, außerdem zitterte sie inzwischen am ganzen Leib. Mit jeder Stufe wurde ihre Angst größer. Die Männer trugen sie jetzt nahezu. Alizas Füße schleiften haltlos
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