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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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erwartete. Ich zog also mein Segel ein, drehte und folgte seinem Boot. Ich ließ mich von der Strömung treiben und hielt mich so dicht am Ufer, wie ich nur konnte. Dann sah ich seinen Frachtkahn in den Bríd schwenken. Ich stoppte und wartete ein Weilchen im Schutz des Ufers, ein wenig später fuhr ich weiter. Nicht lange, und ich stieß auf den verlassenen Kahn.«
    »Auf welcher Flussseite lag er?«, fragte Fidelma. »War es die Seite der Uí Liatháin oder die der Fir Maige Féne?«
    »Auf der Südseite«, lautete die prompte Antwort. »Auf der Seite der Uí Liatháin.«
    »Und was passierte dann?«
    »Als ich niemand weiter sah, kletterte ich in den Kahn. Ich fürchtete, Muirgíol und seine Mannschaft am Boden liegend zu finden, womöglich erschlagen. Aber keine Menschenseele war da. Der Frachtkahn schien unversehrt, nur eine Truhe war aufgebrochen und leer. Ich bin früher mit Muirgíol zusammen gesegelt und wusste, in solchen Truhen verstaute er meist die Abschriften von Manuskripten, die ab und an von unserer Bibliothek nach Lios Mór und Ard Mór geschickt wurden.«
    »Wie hast du so rasch die Kunde von dem Geschehen hierherbringen können?«, wollte Fidelma wissen. »Für den Riesenkahn fehlte dir die Besatzung, und mit deinem kleinen Boot hättest du gegen die Strömung doch länger gebraucht.«
    Eolann schmunzelte. »Ein Stückchen weiter flussaufwärts gibt es eine kleine Siedlung, da, wo
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wächst.«
    Fidelma sah ihn fragend an, doch Eadulf erklärte rasch. »Der Hennastrauch.«
    »Ich ging dorthin, suchte mir ein paar Männer und bat sie, den Frachtkahn ans Nordufer in unser Gebiet zu bringen. Dann lieh ich mir ein Pferd aus, ritt quer über die Hügel und konnte so unseren Stammesfürst sofort von dem Vorfall unterrichten.«
    »Das hast du großartig gemacht, Eolann.« Fidelma nickte anerkennend. »Noch eine Frage – hast du zufällig unter den Männern einen
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gesehen?«
    »Ich habe nur gehört, dass so einer bei dem Überfall auf die Bibliothek getötet wurde. Gesehen habe ich keinen.«
    Fidelma warf einen Blick auf den dunkler werdenden Himmel und sagte zu Cumscrad: »Ich habe genug gehört und gesehen. Bei Tagesanbruch werden meine Gefährten und ich nach Süden reiten und Uallachán zur Rede stellen, ehe wir nach Lios Mór zurückkehren. Ich bitte dich für die Nacht um deine Gastfreundschaft. Ich verlange dein Wort, dass du nichts, aber auch gar nichts gegen die Uí Liatháin unternimmst, ehe ich dich nicht durch Gormán wissen lasse, was Uallachán seinerseits vorgebracht hat und was ich daraufhin vorschlage. Kann ich mich darauf verlassen?«
    Cumscrad tat sich schwer, gab ihr aber sein Wort.
    »Ausgezeichnet, Cumscrad. Sei unbesorgt. Die Uí Liatháin werden für ihre Taten büßen. Sie werden sich meinem Bruder gegenüber verantworten müssen, genau so wie du, solltest du versuchen, auf eigene Faust dein Recht einzufordern.«
     
    Kurz nach Morgengrauen machten sich Fidelma, Eadulf und Gormán über die bewaldeten Anhöhen Richtung Südenzum sich dahinschlängelnden Bríd auf, dem Grenzfluss zwischen den beiden Clans. Es versprach, ein schöner Tag zu werden, nur wenige Schäfchenwolken standen am blauen Himmel. Sie waren zwar ein Zeichen für gutes Wetter, doch wenn sie im Laufe des Tages größer wurden, konnte es rasch zu einem Wetterumschlag kommen; allzu oft wurden die harmlos aussehenden wollenen Tupfen plötzlich zu Gewitterwolken. Zunächst aber versprachen sie zusammen mit einem herrlich roten Sonnenaufgang nur Gutes.
    Von Fear Maighe bis zum Fluss Bríd waren es an die fünf Meilen. Der Weg in Richtung Südosten führte durch ein kleines Tal. Hatten sie das erst einmal hinter sich, lag nur noch eine größere Erhebung zwischen ihnen und dem Fluss. Und hatten sie dann die Anhöhe überwunden, ging es bergab zu einer Ebene, auf der man zu einer Burg gelangte, die einst die Furt über den Fluss beherrschte und wegen der es stets Streit zwischen den Fir Maige Féne und den Uí Liahtáin gegeben hatte. Obwohl man inzwischen seit langem die umstrittene Burg als zu den Fir Maige Féne gehörend betrachtete, hieß sie immer noch Caisleán Uí Liatháin und erinnerte so an den Anspruch des Stammes aus dem Süden. Überall in der Landschaft standen Steinsäulen aus alter Vorzeit und erinnerten daran, dass dies altes Siedlungsgebiet war.
    Es war merkwürdig still, während sie sich den Burgwällen näherten. Zwar hörten sie von ferne Laute von Tieren, das Gackern von Hühnern, das

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