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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Welt leben, fragte er. Seiner Auffassung nach würde ein ehrliches Bemühen, das Glauben der Menschen an die verschiedensten Götter und Dämonen zu begreifen, mit dem geläuterten Monotheismus, wie ihn die Christen predigen, durchaus vereinbar sein. Solange sie das nicht täten, bestünde für die Christen keine Hoffnung, Menschen für ihren Glauben zu gewinnen oder auch nur irgend so etwas wie allgemeine Zustimmung für ihre Religion zu erreichen.«
    »Er war ein herber Kritiker«, fasste Fidelma Cunáns Worte zusammen. Sie fühlte sich nicht recht wohl in ihrer Haut, hatte sie es doch oft genug als schwierig empfunden, schlicht und einfach zu glauben und nicht Lehrsätze zu hinterfragen, die ihr unlogisch erschienen.
    »In seiner Abhandlung steckt noch vieles mehr«, sagte Cunán. »Leider wird man kaum jemand finden, der zugibt, sich mit den Schriften des Celsus zu befassen. Vieles von dem, was er gesagt hat, ist in der Erwiderung von Origenes nachzulesen. Soviel ich weiß, kannten auch Tertullian und Minucius Felix seine Arbeit und wurden von seinen Gedanken beeinflusst. Ich denke, Celsus ging es hauptsächlich darum, dass Christen sich nicht von anderen Religionen und von der Politik fernhalten sollten. Er beschwor sie, kein anderes Reich für sich in Anspruch zu nehmen oder innerhalb des römischen Reiches eine Sonderrolle zu beanspruchen, sondern mit den Kaisern Frieden zu halten. Bei Origenes können wir auch nachlesen, dass Celsus schrieb, dass, wenn alle anderen Religionen dem Beispiel der Christen folgten und sich aus der Politik des Reiches heraushielten, das gesamte Wohl und Wehe desselben in die Hände von wilden und gesetzlosen Barbaren fallen würde.«
    »Du scheinst eine Menge über Celsus und seine Arbeit zu wissen«, merkte Eadulf an.
    »Ich habe ein ganzes Jahr lang, Tag um Tag, gesessen und seinen Text abgeschrieben«, erklärte Cunán grinsend. »Wenn mit nichts anderem, so bin ich doch mit seinem Werk und seinen kritischen Äußerungen mehr als vertraut. Es wunderte mich, dass Bruder Donnchad danach fragte. Begegnet war ich ihm nie, aber wir standen vor vielen Jahren im Briefwechsel. Ich habe einen recht guten Ruf als Schreiber und habe auch viele seiner Arbeiten abgeschrieben. Er ist als Gelehrter sehr bekannt.«
    Eadulf kam plötzlich ein Gedanke. »Soweit ich weiß, hat jeder Schreiber eine eigene Handschrift, setzt nicht nur Buchstaben zu Wörtern und Sätzen zusammen. Hast du Erfahrung mit solchen Eigenheiten anderer?«
    »Das mit der eigenen Handschrift ist richtig, und ich glaube, die von den führenden Schreibern in unserem Königreich kenne ich alle«, erwiderte Cunán nicht ohne Stolz.
    Eadulf schaute Fidelma an, und sie begriff sofort, worauf er hinauswollte. Sie nahm aus ihrem
ciorbholg
das kleine Stück Pergament, das sie unter Bruder Donnchads Fenster gefunden hatten, und reichte es Cunán.
    »Kannst du damit etwas anfangen?«, fragte sie.
    » Pater, si vis, transfer calicem istum a me … Deicida. Deicida. Deicida .«
, las er langsam und sorgfältig. »Nimm diesen Kelch, oder Becher, von mir. Das letzte, dreimal wiederholte Wort heißt so viel wie ›Gottesmörder‹, aber das weißt du ja selbst. So haben die Väter unseres Glaubens oft die Juden genannt. Es sieht aus, als hätte sich Bruder Donnchad in einer Formulierung üben wollen. Trotzdem, merkwürdig.«

KAPITEL 16
    Fidelma und Eadulf sahen den jungen Bibliothekar erstaunt an. »Wie kommst du darauf, dass Bruder Donnchad das geschrieben haben könnte?«, fragte Fidelma neugierig.
    »Ihr habt mich doch selbst gefragt, ob die Handschrift eines Schreibers typische Merkmale aufweist«, erwiderte Cunán geduldig. »Und habe ich dazu nicht schon etwas gesagt? Nicht umsonst war ich der meistbeschäftigte Schreiber in unserer Bibliothek. Und wer würde nicht die Handschrift von Bruder Donnchad kennen, der einer der führenden Gelehrten im Königreich war?«
    »Kannst du begründen, woran du bei den wenigen Worten auf dem Fetzen Pergament seine Handschrift erkennst?«, bat ihn Eadulf.
    »Jeder, der sich mit seinen Arbeiten beschäftigt hat, könnte das tun. Die wenigen Schriftzüge genügen, um sie dem zuzuordnen, der sie geschrieben hat. Du brauchst dir nur die Wörter
calicem
und
deicida
etwas näher anzusehen. Bruder Donnchad hatte eine besondere Art, die Buchstaben ›c‹ und ›d‹ zu schreiben. Sieh mal hier. Doch warte, ich kann es dir auch noch besser begründen.«
    Er stand auf und eilte aus dem Raum.
    Cumscrad

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