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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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großer Mann, dessen mürrischer Blick zu seinen finsteren Gesichtszügen passte.
    »Das hier ist Bruder Seachlann, unser Arzt«, stellte der Verwalter ihn vor und trat zur Seite.
    »Da ich unter den gegebenen Umständen den Leichnam nicht selbst untersuchen kann, bitte ich dich, mir die Todesursache des Verstorbenen zu erklären«, sagte Fidelma.
    »Da gibt es wenig zu erklären. Man hatte zweimal auf ihn eingestochen, und das reichte.«
    Fidelma nahm die lässige Art des Arztes, die fast schon eine Unverschämtheit war, mit ironischem Lächeln hin.
    »Ich denke, eine etwas ausführlichere Auskunft wäre angebracht«, bemerkte sie sachlich. Nur Eadulf erkannte ihren warnenden Ton. »Wo genau waren die Stiche?«
    Bruder Seachlann zog verärgert die Stirn in Falten.
    »Im Rücken. Hat man dir das nicht längst gesagt?«, fuhr er sie an. »Du brauchst nicht unnötig meine Zeit mit derlei Fragen zu verschwenden. Ich bin ausgebildeter Arzt, man hat mich mit Respekt zu behandeln und kann mich nicht einfach rufen lassen, um Fragen zu beantworten, die keiner Antwort bedürfen.«
    Eadulf wartete auf den Zornesausbruch, aber er kam nicht.
    »Niemand ist dir hier respektlos gegenübergetreten, Bruder Seachlann«, erwiderte Fidelma vollkommen ruhig. »Ich bin eine
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, Anwältin bei Gericht im Range eines
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. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass du ein ausgebildeter Arzt bist. Als solcher solltest du mit den einschlägigen Gesetzen vertraut sein und wissen, dass du meine Fragen zu beantworten hast. Ein Verweigern von zufriedenstellendenAntworten kann zu Berufsverbot und Geldstrafen führen. Ich habe die Macht, dir dein
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zu nehmen. Ich hoffe also, du ersparst mir, dir mühevoll jede winzige Auskunft aus der Nase ziehen zu müssen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
    Mit dem Hinweis, ihm sein
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nehmen zu können, brachte sie zum Ausdruck, dass sie ihm die Befugnis, als Arzt zu arbeiten, entziehen durfte. Im Allgemeinen ritt ein Arzt zu seinen Patienten, deshalb war ein
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, eine Reitpeitsche, zum Symbol des Arztes geworden.
    Bruder Seachlann wurde rot, schluckte und sah zu Bruder Lugna, der ausdruckslos vor sich hin starrte.
    »Man hat Bruder Donnchad zwei Dolchstöße in den Rücken versetzt. Er erlag seinen Wunden.« Er presste die Antwort förmlich durch die Zähne, doch Fidelma ignorierte seine unterdrückte Wut.
    »Eadulf, komm doch bitte her und stell dich vor Bruder Seachlann, mit dem Rücken zu ihm. Ja, gut so. Könntest du mir jetzt bitte zeigen, wo genau die beiden Wunden waren, Bruder Seachlann?«
    Der Arzt beugte sich vor und tippte Eadulf einmal links unter den Rippenbogen und dann links auf den Halsansatz.
    »Kannst du noch etwas Genaueres über die Wunden sagen?«, drang Fidelma in ihn. »Ließen sie vielleicht Rückschlüsse darüber zu, wie die Stiche ausgeführt wurden?«
    »Der untere Stich erfolgte schräg nach oben und der vom Nacken ging nach unten.«
    »Bluteten die Wunden stark?«
    »Blut gab’s reichlich – auf dem Bett und auf dem Fußboden.«
    »Sonst nichts Besonderes, was zu den Wunden zu sagen wäre?«
    »Nur, dass sie zu seinem Tod führten«, warf Seachlann herablassend hin.
    Eadulf hatte sich mit nachdenklichem Gesicht zu ihnen umgedreht.
    »Was meinst du?«, fragte ihn Fidelma.
    »Die lebenswichtigen Organe sind im Rücken durch die Knochen ziemlich gut geschützt, wenn ich Galens Arbeiten zur Anatomie richtig im Kopf habe«, begann er. »Im Rücken befinden sich allerlei Knochen. Der Stoß einmal in Aufwärts- und der andere in Abwärtsrichtung deuten darauf hin, dass der Täter zumindest eine Ahnung, wenn nicht sogar gute Kenntnisse in der Anatomie hat. Er muss gewusst haben, dass er zwischen den Knochen eine Stelle mit weichem Gewebe finden würde und von dort ein lebenswichtiges Organ treffen konnte, dessen Verletzung zum Tode und in diesem Fall zum sofortigen Tode führen würde. Ein Krieger weiß von solchen Dingen, und ein guter Arzt natürlich auch.«
    »Was verstehst du schon davon, Angelsachse?«, empörte sich Bruder Seachlann. »Der Fachmann bin ich.«
    »Eadulf hat geraume Zeit an unserer bekannten Medizinschule von Tuaim Brecain studiert«, wies ihn Fidelma in scharfem Ton zurecht, ehe Eadulf selbst antworten konnte. »Augenscheinlich geht er sachkundiger heran als du.«
    Der Arzt schluckte merklich, erneut stieg ihm die Röte in die Wangen.
    »Ich bin auf allen Gebieten der Heilkunst ausgebildet. Niemand hat mich bisher in dieser Art

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