Der Blutkönig: Roman (German Edition)
und sah hinab. Jareds Körper, aufgepfählt auf dreien der Stämme, krümmte und bäumte sich auf, als das eigene Gewicht ihm die Pfähle immer tiefer in den Körper trieb. Aber der Pfosten, der Jareds Rücken durchbohrt hatte, beendete seinen Kampf.
Tris konnte sehen, wie sich sein Geist aus seinem gebrochenen Körper wand und aufflackerte wie ein beflecktes Licht. Tris spürte, wie sich die Formlose näherte, noch bevor er ihre dunkle Gegenwart sehen konnte, so nah dieses Mal, dass Tris unwillkürlich einen Arm hob, um sein Gesicht zu schützen. Seine Seele zog sich in instinktiver Furcht zurück.
Von überall her gleichzeitig kam eine Wolke auf Jared Drayke herab, als ob die Schatten selbst flüssig geworden seien. Aus dem Inneren des Wirbelwinds gab Jareds Geist einen einzigen fürchterlichen Schrei des Schreckens und des Schmerzes von sich. Dann, genauso schnell, wie sie gekommen waren, waren die Schatten wieder verschwunden. Und mit ihnen Jareds Seele.
Tris sackte neben der Mauer des Thronsaals zusammen und riss sich den Gürtel vom Nacken. Ich muss Kiara und Jonmarc finden – und Arontala , dachte er und taumelte auf die Stelle am Boden zu, an der Magierschlächter lag. Er kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an, geschwächt von der Wunde in seiner Seite und dem Gift. Mit seinem zerrissenen Ärmel wischte er sich das Blut vom Gesicht. Sein linker Arm schmerzte, wo der Schürhaken ihn getroffen hatte; dort war eine Brandwunde entstanden, die jede Bewegung des Arms und seiner Hand zur Qual machte. Nun, da Jareds Zauber vergangen war, konnte Tris spüren, wie einiges von seiner Magie wieder zurückkam, aber auch immer wieder verschwand, da der Wurmwurz in seinen Adern kreiste. Er hob Magierschlächter auf und spürte, wie die Kraft des Schwertes ihn aufbaute und die Wirkung des Giftes linderte. Er stellte fest, dass er seine Magie wieder beherrschte – gerade eben.
Vor der Halle fühlte Tris die Magie noch stärker, ein Hinweis darauf, dass Jareds Amulett wirklich nicht der einzige machtdämpfende Schutzzauber im Thronsaal gewesen war. Tris verwendete jeden Trick, den er von der Schwesternschaft gelernt hatte und kämpfte weiter gegen die Wirkung des Wurmwurz an. Er ließ Magierschlächters Kraft ihn stützen und hoffte, dass der Schutz des Schwertes auch den Schaden linderte, den die Wunden anrichteten. Tris spürte am Rand seines Harnischs, dass seine Tunika klebrig war von Blut.
Es schien, als würden die Chancen, die nie gut gewesen waren, immer schlechter.
KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG
A M E INGANG ZUM Thronsaal blieben Vahanian und Kiara einen Schritt zurück, ihre Waffen bereit, als Tris die schweren Doppeltüren erreichte.
Kiara hatte ihr Schwert gezückt. Vahanian legte einen Bolzen in seine Armbrust. Tris berührte die Türen – und in diesem Moment schien sich die Welt von innen nach außen zu kehren. In einem Herzschlag waren Tris und der Thronsaal verschwunden und Vahanian fiel in völlige Finsternis, in ein Loch, das so tief war, dass es keinen Grund hatte. Irgendwo in der Dunkelheit hörte er Kiara aufschreien. Dann, genauso schnell, wie es begonnen hatte, war der Übelkeit erregende Fall vorbei. Vahanian spürte, wie er auf einem harten Steinboden aufprallte, seine Armbrust immer noch gespannt und bereit in der Hand. Einen Augenblick später erschien Kiara aus dem Nichts neben ihm. Ein ungutes Gefühl befiel Vahanian, als er sich in dem Zimmer um sie herum umsah – es war ein Raum, der nichts anderes sein konnte als das Studierzimmer eines Zauberers.
Tapisserien bedeckten die Wände. Dicke Kerzen und Fackeln erhellten den Raum. Eine Wand war vom Boden bis zur Decke mit Büchern bedeckt. Auf Tischen und Regalen lagen unzählige Phiolen und Schüsselchen verteilt, zugekorkte Flaschen und unbekannte Gerätschaften. Über dem Kaminsims, über einem erloschenen Feuer, hing ein lebensgroßes Porträt von Jared Drayke, das in hochmütiger Verachtung auf sie heruntersah. Er war so dunkel, wie Tris blond und hellhäutig war, aber dennoch sah Jared Drayke seinem jüngeren Bruder verblüffend ähnlich. Sie besaßen die gleichen hohen Wangenknochen, die feine Nase und die wilde Haarmähne, auch wenn Jareds Haar sein Gesicht wie eine dunkle Wolke umgab, die den grausamen Zug um seine Lippen noch betonte.
Vahanian und Kiara rappelten sich auf die Füße, die Waffen bereit. Auf der anderen Seite des großen Raums stand, über ihre Dummheit lachend, ein dunkelhaariger Mann in den roten Gewändern eines
Weitere Kostenlose Bücher